„Professoren, Huren und Tänzerinnen kann man überall haben, 
wo man ihnen einige Taler mehr bietet.“

Ernst-August, Herzog von Cumberland, König von Hannover

Zugegeben: Das ist jetzt sehr böse. Zur Ehrenrettung von Professoren: Ich kenne viele Professoren, auf die dies überhaupt nicht zutrifft. Die es viel leichter haben könnten und viel mehr Geld verdienen würden, wenn sie „systemkonformer“ wären. Aber es gibt auch die Professoren, die ständig auf der Suche nach so genannten Drittmitteln sind. Das sind Gelder, die ein Professor von außerhalb eintreiben muss, um seine Stelle und seine Abteilung am Leben zu erhalten oder lukrativ zu machen. Laut Wikipedia trieb jeder Professor einer deutschen Universität 2016 durchschnittlich eine Viertelmillion Euro ein. Das heißt überhaupt nicht, dass jeder, der dies tut, industrieabhängig oder pharmahörig ist und keine ordentliche Wissenschaft mehr betreibt. Die Forschungsergebnisse werden durch solche Drittmittel auch nicht automatisch gefälscht, damit der Professor dem Geldgeber gefällt. Aber einem unbewussten Druck, die Ergebnisse doch eher im Sinne des Geldgebers zu gestalten, zu widerstehen, verlangt schon eine sehr hohe moralische Integrität („Wes Brot ich ess…“). Im Medizinbereich: Was glauben wir, wer mehr Drittmittel bereitstellen kann? Die Hersteller von Statinen und so genannten Biologika oder die von Vitaminen und Phytopharmaka? Unsere wissenschaftliche Forschung wäre freier und unabhängiger, wenn Professoren nicht auf solche Drittmittel angewiesen wären.

Vor einigen Jahren erschien eine Broschüre der deutschen Zuckerindustrie: Mehrere Professoren legten dort nahe, dass Zucker weder süchtig mache noch irgendwelche gesundheitlichen Schäden habe. Sorry, aber für solche Professoren gilt obiges Zitat. Apropos Zucker: In einem der nächsten Newsletter werde ich aufzeigen, dass Wissenschaftler für einen Judaslohn klare Hinweise auf schädliche Wirkungen von Zucker bewusst unterschlagen haben. Solche Wissenschaftler sind nicht nur Huren der Industrie, sie sind Betrüger an der Menschheit. In diesem Fall haben sie sogar die Ernährungsrichtlinien für mehrere Jahrzehnte so beeinflusst, dass vermutlich zigtausende Menschen ums Leben gekommen sind (dies ist nicht meine Ansicht, sondern wurde in einer der führenden medizinischen Fachzeitschriften veröffentlicht).

Und dann gibt es noch diejenigen, für die es wirklich gar nicht ums Geld geht, wenn naturheilkundliche Verfahren abgelehnt und sogar diffamiert werden. Endokrinologen, die vehement gegen das „natürliche Hormon Vitamin D“ kämpfen, weil sie sich einfach nicht vorstellen können, dass das so potent wie manche Medikamente sein soll. Ernährungsprofessoren, die Omega-3 als Nahrungsergänzung ablehnen, weil einmal Fisch in der Woche doch ausreicht und darüberhinausgehende Wirkungen von Supplementen doch einfach nicht sein können. Und Professoren, die sogar naturheilkundliche Lehrstühle innehatten oder -haben, und entschieden gegen Naturheilverfahren und Homöopathie publizieren – nicht aus Geldgier, sondern aus der Überzeugung heraus, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Leider werden gerade diese ständig von Journalisten befragt.

Mit den materiell orientierten Professoren kann man sogar noch argumentativ und wissenschaftlich diskutieren. Mit den ideologisch orientierten Professoren ist das hingegen nicht mehr möglich, weil es da nicht mehr um Wissenschaft, sondern um Weltanschauung geht.

Sind Omega-3-Fettsäuren in der Prävention von KHK nutzlos?

Lange habe ich auf die Ergebnisse der VITAL-Studie gewartet und mir davon wesentliche Erkenntnisse über den Nutzen von Vitamin D und Omega-3 erhofft. Nun ist es soweit. Die ersten Ergebnisse sind veröffentlicht. Allerdings sind sie nicht so ausgefallen, wie sich die Befürworter der beiden Nährstoffe erhofft haben. Darum soll die Studie hier ausführlich vorgestellt und kommentiert werden, wobei heute der Schwerpunkt auf Omega-3 liegen soll. Vitamin D kommt später noch einmal dran. Daher möchte ich ausnahmsweise mit der Studie des Monats starten.

Studie des Monats: Marine Omega-3-Fettsäuren und die Prävention der koronaren Herzkrankheit und Krebs 

In dieser Studie erhielten 25.871 Teilnehmer über mehr als 5 Jahre 2000 IE Vitamin D, 1 g Omega-3-Fettsäuren, beides oder Placebo (1). Alle Teilnehmer kamen aus den USA. Männer sollten älter als 50, Frauen älter als 55 Jahre sein. Primäre Endpunkte der Studie waren kardiovaskuläre Ereignisse (z.B. Herzinfarkt, Schlaganfall oder Herztod) sowie irgendein Krebs. Sekundäre Endpunkte waren beispielsweise Revaskularisation von Herzkranzgefäßen oder Tod durch Krebs.

Die Krebshäufigkeit unterschied sich nicht in der Omega-Gruppe gegenüber der Placebo-Gruppe.  In der Omega-3-Gruppe gab es 8 % weniger größere kardiovaskuläre Ereignisse (386 vs. 419), was aber nicht statistisch signifikant war (p=0,24). Bei den sekundären Endpunkten gab es 28 % weniger Herzinfarkte, bei Krebstod und Schlaganfall lagen beide Gruppen praktisch gleichauf. Ebenso bei allen Todesfällen zusammengenommen. Blutungsereignisse (Omega-3 hat eine leicht gerinnungshemmende Wirkung) wurden in der Omega-Gruppe nicht vermehrt beobachtet.

Die Autoren folgern daraus, dass Omega-3-Fettsäuren nicht zu verminderten kardiovaskulären Ereignissen oder zu weniger Krebs führen.

Omega-3 bringt also doch nichts?

Ich muss gestehen, dass ich beim Lesen des abstracts (oben lesen Sie quasi eine Zusammenfassung desselben) sehr enttäuscht war. Als ich das erste Mal von dieser Studie gehört habe, war ich hoch erfreut: Endlich mal eine große (> 25.000 Teilnehmer), mit 5 Jahren recht lange (ok, für Krebsentstehung schon ein wenig kurz) und mit öffentlichen Mitteln gesponserte Studie. Da muss sich doch ein Nutzen von Vitamin D oder Omega-3 und erst recht in der Kombination zeigen. Ja, ich hatte schon vor einigen Jahren meine Bedenken, ob die Dosen der Nährstoffe nicht doch ein wenig niedrig seien. Bei meinen Patienten setze ich laborkontrolliert viel höhere Dosen ein und sehe dann auch häufig klinische Effekte. Aber bei der großen Studienpopulation und der Dauer war ich dann doch verhalten optimistisch. Wenigstens kleine Effekte müsste man doch sehen. Und dann dieser Schlag ins Wasser!

Obwohl die Studie erst von wenigen Tagen veröffentlicht wurde, habe ich schon den ersten Kommentar eines namhaften deutschen Endokrinologen gelesen, wo dieses negative Ergebnis genüsslich zelebriert wird. Einen Tag, nachdem ich selbst die Studie das erste Mal gelesen habe, machte ein Ernährungsprofessor auf einem großen Kongress Omega-3 nieder, wobei aus seinen Worten die Häme regelrecht triefte. Das ist schon mal alles sehr seltsam. Wissenschaftliche Erkenntnisse kann man zur Kenntnis nehmen, man kann sie kommentieren, aber dass man sich über ein negatives Ergebnis diebisch freut, ist eher unwissenschaftlich. Es sei denn, ich freue mich, dass meine eigenen Vorurteile bestätigt wurden.

Wir werden auf die Kommentare der beiden Professoren später noch zu sprechen kommen. Ich befürchte aber, dass sie in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit gar nicht mehr als den abstract gelesen haben können. Warum noch dicke Bretter bohren, wenn mir das dünne Brett an der Oberfläche doch recht gibt? Von dem Ernährungsprofessor weiß ich sicher, dass er sie nicht gelesen haben kann, denn als ich ihn zu wichtigen Details der Studie fragte, wurde völlig klar, dass er diese das erste Mal gehört hatte.

Dicke Bretter bohren ist besser als die eigenen Vorurteile pflegen

Schauen wir uns die Studie also mal im Einzelnen an. Bleiben wir ruhig noch einmal beim abstract. Ich will jetzt nicht nur die Rosinen herauspicken, weil ich so ein großer Fan von Omega-3 bin, aber 8 % weniger von allen großen kardiovaskulären Ereignissen und 28 % weniger Herzinfarkte – das ist doch schon mal ein Ergebnis, welches man nicht so einfach unter den Teppich kehren sollte. Das Signifikanzniveau – dass das Ergebnis mit großer Wahrscheinlichkeit nicht zufällig ist – wurde nicht erzielt. Dies ist auf die geringe Fallzahl zurückzuführen. Zwar sind 25.000 Teilnehmer schon eine ordentliche Größe, aber es handelte sich um gesunde Menschen, die im Laufe der 5 Jahre erst ihre Krankheit entwickelten. Und das waren dann eben nur etwa 800 Herzereignisse insgesamt. Hätte die Studie 100.000 gehabt oder wäre sie 10 Jahre gelaufen, dann wäre möglicherweise eine statistische Signifikanz erreicht worden, wenn es bei dem Unterschied von 8 % geblieben wäre. Aber wie sagte schon unser Fußballheld Lothar Matthäus: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“

Schauen wir uns die Einzelheiten der Studie an. Da sehen wir gleich bei der Methodik, was eigentlich verwendet wurde. Es wurde nicht 1 g Omega-3 gegeben, wie man vielleicht vermuten könnte, sondern 1 g Fischöl. Das ist etwas ganz anderes! Tatsächlich befanden sich in der Kapsel nur 840 mg EPA/DHA, was sehr wenig ist. Ich gebe fast nie unter 2000 mg.

Der zweite Kritikpunkt am eingesetzten Präparat ist das EPA/DHA-Verhältnis. Wir wissen, dass die KHK auch etwas mit Entzündung zu tun. EPA wirkt besser gegen Entzündung als DHA. Bei der Vorbeugung von KHK oder Krebs würde ich daher immer ein EPA-lastiges Fischöl bevorzugen, bei der Vorbeugung von Demenz hingegen eher ein DHA-lastiges Öl.

Und drittens wurde kein natürliches, sondern ein völlig künstliches Fischöl eingesetzt. Normalerweise weist Fischöl einen Omega-3-Anteil von etwa 30 % auf, das eingesetzte Präparat hingegen über 80 %. Wie geht das? Die natürlichen Fette (Triglyceride) werden in Glycerin und drei Fettsäuren zerschlagen. Dann werden aus dieser Fettsäuresuppe EPA und DHA herausgefischt und anschließend wieder mit Glycerin künstlich zusammengepappt. Dabei gehen viele natürliche Bestandteile des Fischöls verloren. Fischöl enthält normalerweise Dutzende verschiedenster Fettsäuren. Wir kennen nur von einem kleinen Teil halbwegs die Wirkungen. Ob die entfernten Bestandteile vielleicht positive Auswirkungen haben, wissen wir gar nicht. Die entstehenden Fette enthalten zwei bis drei Omega-3-Fettsäuren, was so in der Natur überhaupt nicht vorkommt. Ich kann es nicht begründen und schon gar nicht wissenschaftlich beweisen: Ich würde im Sinne des Vollwertköstlers Prof. Kollath („Lasst die Nahrung so natürlich wie möglich!“) immer einen TL eines natürlichen Fischöls der in der Studie eingesetzten Kapsel vorziehen – beides ist dosisäquivalent. Einen EL hätte ich noch mehr bevorzugt. Der Beweis für die Überlegenheit des natürlichen Fischöls wird schwer zu führen sein und wird vielleicht nie gelingen, aber aus einer Naturphilosophie heraus würde ich immer das Natürliche vorziehen.

Und als letzten Punkt: In der Methodik der Studie ist nicht beschrieben, wann und wie die Fischölkapsel einzunehmen ist. Studien haben ergeben, dass die Aufnahme der Omega-3-Fettsäuren um ein Vielfaches besser ist, wenn das Fischöl direkt mit einer fetthaltigen Mahlzeit eingenommen wird. Oft werden in Studien die Medikamente gleich morgens eingenommen. Viele Menschen essen morgens aber wenig oder gar nichts oder nichts Fettes (z.B. Obstsalat). Eine gute Studie würde all diese Aspekte (besser EPA-lastiges natürliches Fischöl in genügend großer Menge und mit einer fettigen Mahlzeit eingenommen) berücksichtigen. Dazu müssten aber nicht nur Statistiker und Pharmakologen, sondern auch Experten in die Studienplanung einbezogen werden, die sich wirklich mit der Materie auskennen!

Weitere wichtige Informationen erhalten wir aus den Laboruntersuchungen der Probanden. Nicht alle, aber mehrere tausend Teilnehmer unterzogen sich einer Blutuntersuchung. Dabei wurde der Omega-3-Index gemessen. Dieser stellte die Summe von EPA/DHA im Vergleich zur Gesamtmenge der Fettsäuren dar. Der Omega-3-Index (2) ist in vielen Studien mit Omega-3, besonders solchen mit der Untersuchung von kardiovaskulären Ereignissen herangezogen worden. Dabei zeigte sich, dass Werte unter 4 % katastrophal schlecht sind und ein sehr hohes Risiko für den Herztod darstellen. Werte zwischen 4-8 % zeigen ein moderates Risiko, während erst ab Werten von über 8 % von einer relativ guten Prognose auszugehen ist.

Wie lag der Omega-3-Index in der VITAL-Studie?

Der durchschnittliche Omega-3-Index betrug bei den Teilnehmern zu Beginn 2,7 %. Das ist einfach nur unterirdisch schlecht. Ich habe solche Werte, die den Durchschnitt der teilnehmenden amerikanischen Bevölkerung darstellt, bei meinen Patienten nur äußerst selten gesehen. Unter der Therapie fand sich dann ein Omega-3-Index von 4,1 %, was nicht mehr katastrophal, sondern nur noch sehr schlecht ist. Wenn ich solche Werte bei meinen Patienten sehe, weiß ich, dass ich die Dosis noch einmal enorm erhöhen muss, um auch nur an die 8 % heranzukommen bzw. diesen Wert zu übertreffen. Warum liegen die Amerikaner nun so viel schlechter als meine Patienten? Je mehr Fleisch ich esse, desto niedriger ist der Omega-3-Index. Wenn ich viel Fleisch und Wurstwaren (z.B. Steaks, Hamburger, Hotdogs) verzehre, benötige ich wesentlich mehr Omega-3, um dies kompensieren zu können.

Der zweite wichtige Punkt ist das Gewicht. Je schwerer (und fetter) ein Mensch ist, umso mehr Omega-3 benötigt dieser, um in einen guten Bereich des Omega-3-Index zu gelangen. Es sind leider keine Daten zur Ernährung berichtet, aber der durchschnittliche Body Mass Index betrug 28,1, die Teilnehmer hatten durchschnittlich schon ein paar Pfund zu viel auf den Rippen.

Welche Auswirkungen gab es in der Studie auf das Herzrisiko?

Wie schon im abstract erwähnt, gab es immerhin 8 % weniger kardiovaskuläre Ereignisse, was nicht signifikant, aber auch gar nicht so schlecht ist, wenn man berücksichtigt, welch geringe Dosis eingesetzt wurde und welch geringe Verbesserung des Omega-3-Index erfolgte. Schaut man sich einzelne Ereignisse noch einmal genauer an, so sieht man in der Omega-Gruppe:

  • Alle Herzinfarkte -28 %
  • Tödliche Herzinfarkte – 50 %
  • Neuaufgetretene KHK – 17 %

Wie gesagt, das ist aufgrund der geringen Fallzahlen alles nicht statistisch signifikant, aber es sind immerhin bemerkenswerte Tendenzen. Besonders bei den Herzinfarkten: Etwa ¼ weniger Herzinfarkte, aber wenn doch ein Herzinfarkt eintritt, dann wird er viel öfter überlebt (nur halb so viel Infarktode in der Omega-Gruppe).

Interessante Späteffekte

Die Forscher haben noch eine Berechnung vorgenommen, die ich sehr intelligent finde: Sie haben berechnet, was passiert, wenn man die ersten zwei Jahre außer Acht lässt. Wenn innerhalb der ersten zwei Jahre etwa passiert, dann war das womöglich die Erblast der Zeit davor. Omega-3 konnte das noch nicht verhindern. Wenn Omega-3 günstige Langezeiteffekte aufweisen würde, dann müsste man diese erkennen, wenn man eher die letzten Jahre der Untersuchung betrachtet. Und das findet sich auch. Während es in den gesamten 5 Jahren nur 8 % weniger kardiovaskuläre Ereignisse gibt, kommt es in den letzten 3 Jahren zu 11 % weniger Schäden. Nicht viel, nicht signifikant, aber in der Tendenz zumindest ein Hinweis auf protektive Langzeiteffekte von Omega-3.

Und was ist mit Krebs?

Hier gab es überhaupt keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen: 3 % mehr Krebsfälle in der Omega-Gruppe, aber 3 % weniger Krebstote in der Omega-Gruppe, alles nicht signifikant. Der Trick der Betrachtung der letzten 3 Jahre brachte bei Krebs allerdings keine Änderung der Bewertung. Vielleicht war die Beobachtungszeit von 5 Jahren für Krebs einfach zu kurz oder wir brauchen hier doch wesentlich höhere Dosen oder Spiegel im Blut.

Und was machen Subgruppen?

In vielen Studien sehen wir einen höheren Nutzen einer Interventionsmaßnahme bei einem vorliegenden höheren Risiko. Eine gute Blutdruckeinstellung vermindert das Risiko für einen Herzinfarkt bei einem Menschen mit Diabetes und hohem Cholesterin mehr als bei einem Nicht-Diabetiker mit guten Cholesterinwerten. Lässt sich so etwas in der VITAL-Studie finden als Hinweis darauf, dass Hoch-Risikogruppen möglichweise doch primärpräventiv von Omega-3 profitieren, auch wenn sich in der Gesamtpopulation keine oder nur geringe Effekte nachweisen lassen?

Risikogruppe           Risikominderung für kardiovaskuläre Ereignisse (alle – 8 %)

Dunkelhäutige                                                – 26 %
Diabetes                                                          – 26 %
<1,5 x Fisch/Woche                                        – 19 %
Mehr als 1 Risikofaktor                                 – 16 %
Zusätzliche Einnahme von Vitamin D         – 12 %
Statin                                                                – 12 %
Aspirin                                                              – 10 %

Und genau das, was wir erwarten würden, finden wir auch wieder! Hochrisikogruppen wie dunkelhäutige Amerikaner, Diabetiker. Menschen mit geringem Fischkonsum und solche mit mehreren Risikofaktoren profitieren deutlich besser von einer Omega-3-Einnahme als die anderen. Und noch ein interessanter Nebenaspekt. Omega-3 wirkt synergistisch mit anderen Substanzen: Die Risikominderung nimmt zu, wenn gleichzeitig Vitamin D, Aspirin oder ein Statin genommen wird! All dies sind massive Hinweise darauf, dass Omega-3 wirkt – aufgrund der geringen Dosierung sind die Effekte leider nur klein, aber sie sind in dieser Studie klar nachweisbar. Man muss nur genau hinschauen.

Die Autoren diskutieren am Ende selbst, dass die gewählte Dosis zu tief gewesen sein könnte. Sie haben sich an die Empfehlungen der AHA (American Heart Association, Amerikanische Herzgesellschaft) für Patienten gehalten, bei denen bereits eine KHK bekannt ist. Sie räumen selbst ein, dass in der primären Prävention wenigstens das Doppelte dieser Dosis empfohlen wird. Diesem Statement kann ich mich nur voll und ganz anschließen – und frage mich schon verwundert, dass die Autoren selbst in den letzten Sätzen ihrer umfangreichen Publikation zugeben, dass die Studie eigentlich von vornherein ganz falsch angelegt war!

Fazit

In der ganz aktuell (10.11.18) publizierten VITAL-Studie gab es folgende Ergebnisse:

  • Bei keinem primären (z.B. alle größeren kardiovaskulären Ereignisse) oder sekundären Endpunkt (z.B. Krebstod) unterschied sich die Omega-3- von der Placebogruppe.
  • Die kardiovaskulären Ereignisse lagen aber unter Omega-3 mit – 8 % und die Herzinfarkte mit – 28 % tendenziell niedriger, bei tödlichen Herzinfarkten kam es sogar zu einer Halbierung. Wegen geringer Fallzahlen bei einer Studienpopulation mit relativ wenig Risikofaktoren und geringen Krankheitsinzidenzen im Untersuchungszeitraum erreichten diese doch beeindruckenden Unterschiede nicht das statistische Signifikanzniveau.
  • Die Dosis lag mit einem Gramm recht niedrig.
  • Die Autoren sind nicht gerade sehr korrekt, wenn im abstract steht, dass 1 g Omega-3-Fettsäuren verwendet wurde, im ausführlichen Text kann man aber nachlesen, dass stattdessen 1 g Fischöl zum Einsatz kam und die tatsächliche Omega-3-Dosis sogar nur 840 mg betrug.
  • Das eingesetzte Fischöl wies EPA und DHA in einem etwa gleichen Verhältnis auf. Verordner, die sich mit einer Omega-Therapie gut auskennen, würden immer ein EPA-lastiges Öl bevorzugen.
  • Das eingesetzte Präparat enthielt ein aufkonzentriertes künstliches Fischöl, welches so in der Natur nicht vorkommt.
  • Der Omega-Index war zu Beginn mit 2,7 % katastrophal niedrig.
  • Er stieg in der Omega-Gruppe nur ungenügend auf immer noch sehr schlechte 4,1 % an (gut > 8 %).
  • In den letzten 3 Jahren der Studie wiesen die Omega-Probanden bessere Ergebnisse auf als im gesamten Zeitraum von 5 Jahren, was für positive Langzeiteffekte von Omega-3 spricht.
  • Risikogruppen (Dunkelhäutige, Diabetiker, Probanden mit einem sehr geringen Fischkonsum und solche mit mehreren Risikofaktoren) profitierten deutlich mehr als die anderen.
  • Probanden, die Vitamin D, Aspirin oder Statin einnahmen, erzielten auch bessere Ergebnisse.
  • Die Autoren diskutieren am Ende selbst, dass eigentlich eine höhere Dosis bei der gewählten Indikation (primäre Prävention) angebracht gewesen wäre.

Fasst man all dies zusammen, so kann man nur zum Urteil kommen, dass die VITAL-Studie in ihrer Gesamtheit und Komplexität für eine Risikominderung von kardiovaskulären Ereignissen, besonders von Herzinfarkten und hier besonders von tödlichen Herzinfarkten spricht. Leider befürchte ich, dass die meisten Kommentatoren und Journalisten nach der Lektüre des abstracts zu einem vernichtenden Urteil kommen und keine differenzierte Betrachtung – wie hier vorgestellt – leisten werden.

Herzliche Grüße

Dr. Volker Schmiedel

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Weder Vitamin D noch Omega 3-Fettsäuren schützen vor Herz-Kreislaufereignissen oder Krebs: die Ergebnisse der VITAL-Studie

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: Schon wieder eine negative Studie zu Omega-3 und Vitamin D! Die obige Überschrift habe ich aus der Sekundärliteratur. Kommentatoren äußern sich süffisant über das weitere Versagen von wichtigen Nährstoffen.

Was mich sehr gewundert hat: Nur wenige Tage nach Erscheinen der Studie kommen diese Kommentare. Und sie triefen vor Häme. Das ist alles nicht wirklich wissenschaftlich. Um eine Studie wirklich kommentieren zu können, muss ich mehr als nur den oberflächlichen abstract – praktisch die Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse – lesen. Und in wissenschaftlichen Bewertungen sollten Emotionen außen vor bleiben.

Doch kommen wir zunächst zu den Autoren. Ganz am Ende des Artikels geben sie zu, dass sie eine falsche Dosierung gewählt haben. Na, prima! Man muss aber eben bis ganz zum Ende und sehr sorgfältig gelesen haben, um das zu entdecken. In ihrem abstract zu Beginn – und das ist das, was die meisten lesen, und nicht anderes – sagen sie dazu kein Wort. Dort stellen sie praktisch nur die negativen Ergebnisse dar. Und sie kommen zu dem fatalen Schluss: „Supplementation with n-3 fatty acids did not result in a lower incidence of major cardiovascular events or cancer than placebo.“ Das ist dann quasi das Todesurteil für Omega-3!

Nachvollziehbar ist dies nicht. Denn die Autoren stellen selbst dar, dass es unter Omega-3 immerhin 8 % weniger kardiovaskuläre Ereignisse und 28 % weniger Herzinfarkte gab. Das war wegen geringer Fallzahlen nicht signifikant. Aber unter Berücksichtigung des fragwürdigen Studiendesigns mit einer massiven Unterdosierung (die anderen Mängel habe ich oben aufgeführt) ist das doch ein beachtlicher Erfolg. In Subgruppen mit hohen Risiken fanden sich hingegen bessere Ergebnisse. In der Kombination mit anderen Maßnahmen gab es auch bessere Ergebnisse. Am Ende der Studie (Langzeiteffekte) gibt es bessere Ergebnisse als zu Beginn. All das sind doch deutliche Hinweise auf eine Wirksamkeit von Omega-3. Das findet man doch bei keinem Placebo. All diese Fakten werden zwar erwähnt, sie werden aber nicht gewürdigt. Wissenschaftler stellen sonst ausführlich die Erfolge ihrer Studie dar (besonders wenn es um Medikamente geht). Warum die Autoren ihre Erfolge hier kleinreden, erschließt sich mir nicht.

Kommen wir zu den Kommentatoren. Einen Tag, nachdem ich selbst die Studie ausführlich gelesen habe, war ich als Referent auf einem großen Ernährungskongress für etwa 200 Ernährungsberater und -wissenschaftler eingeladen. Ein Professor äußerte sich sichtbar befriedigt über die negativen Ergebnisse der VITAL-Studie. Das habe man ja schon immer gesagt. Wichtige Meinungsbildner schwören wichtige Therapeuten, die direkt die Patienten beraten, darauf ein, doch ja von diesem Omega-3-Unfug abzulassen. In der Diskussion fragte ich ihn, warum es in der Studie denn 28 % weniger Herzinfarkte gab, obwohl der Omega-3-Index nur von 2,7 auf 4,1 % angestiegen war. Aus seiner unbeholfenen Antwort wurde offensichtlich, dass er diese Zahlen überhaupt nicht kannte. Er wich dann mit dem Argument aus, dass die Studie gezeigt habe, dass Omega-3 insgesamt nicht zur Vorbeugung von Herzkrankheiten beitrüge. Ich erwiderte dann, dass diese Studie nur beweise, dass insuffiziente Dosen von Omega-3 nicht ausreichend wirkten, worauf ich Beifall aus dem Publikum erhielt. Er forderte dann, dass die Omega-3-Befürworter doch endlich mal eine einzige Studie zeigen sollten, die positiv ausfalle. In meinem eigenen Vortrag konnte ich ihm genau eine solche Studie zeigen: Zeitgleich mit der VITAL-Studie erschien nämlich die Reduce it-Studie (3). In dieser Studie erhielten KHK-Patienten, die schulmedizinisch optimal und leitliniengerecht mit Medikamenten behandelt wurden waren, zusätzlich nicht 840, sondern 4000 mg Omega-3 und zwar überwiegend EPA, nicht EPA/DHA zu gleichen Teilen. Ergebnis: 25 % weniger Ereignisse mit primärem oder sekundärem Endpunkt in der Omega-3-Gruppe. Dies war dann auch hochsignifikant (p<0,001). Dies bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Ergebnis auf Zufall beruht, geringer als ein Promille ist! Diese Studie kannte der Ernährungsprofessor merkwürdigerweise nicht. Nebenbei: Er war auch Mit-Autor der Broschüre, die den Zucker frei von jeglichen schädlichen Wirkungen sprach. Noch Fragen?

Die DGE (Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie) sah sich in Person ihres Vorsitzenden auch bemüßigt, zur VITAL-Studie Stellung zu nehmen – völlig berechtigt, denn Vitamin D ist ja schließlich ein Hormon und Omega-3 ist Ausgangspunkt vieler Hormone. Auch hier wurden die negativen Ergebnisse hervorgehoben. Immerhin wurde auch erwähnt, dass es 28 % weniger Herzinfarkte gab und bei Dunkelhäutigen sogar 77 % weniger Herzinfarkte. Diese guten Resultate wurden allerdings wieder relativiert, „da sie nur von „Subanalysen von Subanalysen oder von sekundären Endpunkten“ stammten und somit nur hypothesengenerierend seien und nicht wissenschaftliche Evidenz eines Nutzens“. Hallo? Was soll das denn? Dann müssen wir aber die gesamte Schulmedizin über den Haufen werfen. Aspirin schützt vor KHK. Das ist Lehrmeinung. Evidenzbasiert ist aber auch, dass dies nur für bereits von Arteriosklerose Betroffene (eine Subgruppe) gilt, nicht hingegen für noch Gesunde. Beta-Blocker schützen auch vor KHK. Aber der ganzen Bevölkerung Beta-Blocker zu empfehlen, wird niemandem einfallen, der noch bei Verstand ist. Man wird einen Beta-Blocker nur jemandem empfehlen, der bereits eine KHK aufweist oder unter Bluthochdruck leidet. Und während vor einigen Jahren Beta-Blocker die Blutdrucksenker der ersten Wahl waren, haben sie diesen Status mittlerweile verloren. Vermutlich wirken sie am besten bei denen mit einem stressbedingten Bluthochdruck. Und es wird auch diskutiert, dass nicht jeder mit einer KHK von einem Beta-Blocker profitiert. Patienten mit Stoffwechselstörungen (z.B. Diabetes) könnten sie eventuell sogar schaden. Subgruppenanalysen sind also in der Medizin Usus. Warum eine solch differenzierte Betrachtung ausgerechnet den Omega-3-Fettsäuren verwehrt werden sollen, erschließt sich mir nicht.

Fazit: Ich kann die Warnungen vor Omega-3-Fettsäuren überhaupt nicht verstehen. Wenn die Gegner von Omega-3 recht haben sollten und sie bringen überhaupt nichts, dann ersparen sie denjenigen, die ihren ablehnenden Empfehlungen folgen, die Ausgaben von ein paar Euro. Ein qualitativ hochwertiges Präparat in ausreichender Dosierung mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis kostet etwa einen Euro am Tag. Sollten aber Omega-3-Fettsäuren nützen, dann kostet die Ablehnung von Omega-3-Fettsäuren durch die „Experten“ tausenden Menschen das Leben oder die Gesundheit. Dankeschön!

Hier sei auch noch einmal an Ernährungsempfehlungen erinnert, die jahrzehntelang von Ernährungsprofessoren in die Köpfe von Ernährungsberaterinnen eingebläut worden sind und diese haben damit die armen Patienten fehlberaten:

  • Hochungesättigte Fettsäuren aus Sonnenblumen-, Distel- und anderen Ölen schützen vor Herzinfarkt (das Gegenteil ist der Fall).
  • Süßstoffe helfen, das Gewicht zu vermindern (das Gegenteil ist der Fall, Süßstoffe machen dick).
  • Diabetiker sollen Fruktose benutzen, da dieser Zucker insulinunabhängig verstoffwechselt wird (wir wissen heute: Fruktose macht fett und ist für Diabetiker reines Gift).

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht. Ernährungsexperten haben die Bevölkerung jahrzehntelang verdummt (das wäre das schlimmste nicht, wir schauen ja auch Fernsehen). Sie haben mit ihren falschen Ernährungsempfehlungen vermutlich tausende Menschen umgebracht. Das heißt natürlich nicht, dass alle Ernährungsempfehlungen falsch sind und Ernährungswissenschaftler und –berater nur falsch beraten – ganz im Gegenteil, das meiste ist richtig und hilfreich. Bei deren Empfehlungen zu Omega-3-Fettsäuren ist aber ein wenig Skepsis durchaus angebracht. Checken Sie die Fakten und bilden Sie sich Ihr eigenes Urteil!

Herzlichst,
Ihr Dr. med. Quintus Querulantius

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

 

Literaturliste – für alle, die wissenschaftlich tiefer bohren und die wissenschaftlichen Quellen erkunden möchten, unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed können Sie die Abstracts (in Englisch) nachlesen und manchmal auch Links zu den Originalarbeiten finden:

  1. Manson JE, Cook NR, Lee IM, Christen W, Bassuk SS, Mora S, Gibson H, Albert CM, Gordon D, Copeland T, D’Agostino D, Friedenberg G, Ridge C, Bubes V, Giovannucci EL, Willett WC, Buring JE; VITAL Research Group: Marine n-3 Fatty Acids and Prevention of Cardiovascular Disease and Cancer. N Engl J Med. 2018 Nov 10. doi: 10.1056/NEJMoa1811403.
  2. von Schacky C, Harris WS: Cardiovascular risk and the omega-3 index. J Cardiovasc Med (Hagerstown). 2007 Sep;8 Suppl 1:S46-9.
  3. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1812792