Die meisten Menschen haben noch nie davon gehört. Umso erstaunter sind viele meiner Patienten, wenn ich Ihnen sage, dass sie an Hashimoto erkrankt sind – genauer an einer Hashimoto-Thyreoiditis, was es auch nicht gerade verständlicher macht.

Was ist Hashimoto?

Was wie ein japanisches Motorrad klingt, ist also in Wirklichkeit eine Krankheit. Genau genommen war Hakaru Hashimoto ein japanischer Arzt, der im Jahre 1912 erstmals diese später nach ihm benannte Krankheit beschrieb. Es handelt sich dabei um eine Autoimmunkrankheit der Schilddrüse, die langfristig zu einer Schädigung, ja sogar einer Zerstörung der Schilddrüse führen kann. Das hört sich zunächst gefährlich an. Wenn man mir aber sagen würde, ich bekäme irgendeine Autoimmunkrankheit, also eine Störung, bei der das eigene Immunsystem bestimmte Körperstrukturen angreift, ich könne mir aber aussuchen, welche ich erwerben würde, dann würde ich ohne zu zögern sofort den Hashimoto wählen.

hashimoto

Hashimoto – die häufigste Autoimmunkrankheit und eine der häufigsten
Ursachen für Erschöpfung – wird oft viel zu spät erkannt, weil nicht danach gesucht wird

Schilddrüsenunterfunktion

Beim Rheuma gehen die Gelenke kaputt, bei der MS die Nervenzellen, bei der Colitis der Darm. Durch alle diese Autoimmunkrankheiten werden körpereigene Strukturen zerstört, was mit starken Beschwerden und nicht selten einer massiven Beeinträchtigung der Lebensqualität einhergehen kann. Beim Hashimoto geht hingegen „nur“ die Schilddrüsenfunktion verloren, d.h. die Patienten bekommen langfristig eine Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion). Die ist aber leicht zu behandeln. Schulmedizinisch gibt man dann einfach die naturidentischen Schilddrüsenhormone in der Menge, die wir für eine optimale Funktion benötigen. Man kann die Therapie an der Abwesenheit von Symptomen der Hypothyreose sowie dem Schilddrüsenwert TSH steuern. Der Normwert liegt meist bei etwa 0,4 bis 4 mU/l. Dieser „Normwert“ umfasst aber 95 % der „normalen Bevölkerung“, das muss aber nicht der Optimalwert sein. Beim Cholesterinwert steht interessanterweise nicht der Normwert (der wäre etwa bei 200-300 mg/dl = 5,3-7,9 mmol/l), sondern hier haben die Labore den Optimalwert vermerkt, den Kardiologen zur Vermeidung einer Arteriosklerose für richtig ansehen. Fettsenker sind halt teurer als Schilddrüsenhormone.

Behandlung der Symptome

Nach meiner Erfahrung weisen Patienten aber oft bereits Symptome bei einem TSH knapp über 2,5 auf, die meisten fühlen sich zwischen 1 und 2 subjektiv am besten. Wenn sich jemand mit einem TSH von 2,8 sehr wohl fühlt, muss er nicht behandelt werden. Liegt aber eine latente Hypothyreose mit beginnenden Symptomen der Unterfunktion vor, so würde ich schon niedrig dosiert mit dem Schilddrüsenhormon beginnen. Wenn der Patient dann eine deutliche Verbesserung der Leistungsfähigkeit oder anderer Symptome bemerkt, warum soll ich ihm dann eine Optimierung seiner Körperfunktionen bei Einhaltung physiologischer Schilddrüsenwerte vorenthalten? In den Leitlinien der Schilddrüsengesellschaften wird eine Therapie erst ab einem TSH von 7 für notwendig erachtet. Die meisten Patienten fühlen sich aber deutlich wohler, wenn sie bei 1-2 liegen.

Symptome der Hypothyreose:

  • Müdigkeit
    • Motivationslosigkeit
    • Antriebslosigkeit
    • Depressive Verstimmung
    • Konzentrations- und Gedächtnisstörungen
    • Muskelschwäche
    • Muskelverhärtung
    • Niedrige Körpertemperatur
    • Erhöhte Kälteempfindlichkeit
    • Ödeme (Schwellungen durch Wassereinlagerungen, besonders an Lidern, Gesicht, Extremitäten)
    • Kloß im Hals
    • Strangulationsgefühl (auch nur phasenweise)
    • Häufiges Räuspern und Hüsteln
    • Heisere oder belegte Stimme (Stimmbandödem)
    • Trockene und rissige Haut und damit verbundener Juckreiz
    • Trockene Schleimhäute
    • Brüchige Haare und Nägel
    • Haarausfall
    • Schnelle und starke Gewichtszunahme bzw. Unfähigkeit Gewicht abzunehmen
    • Übelkeit
    • Verstopfung
    • Wachstumsstörungen
    • Herzvergrößerung
    • Verlangsamter Herzschlag
    • Verringerte Libido
    • Veränderter Zyklus (bei Frauen)
    • Gelenkschmerzen
    • Fettstoffwechselstörung

schilddrüse

Die Schilddrüse. Das kleine schmetterlingsförmige Organ unterhalb des
Adamsapfels ist quasi der Schrittmacher für den
gesamten Stoffwechsel – in der Unterfunktion läuft alles träge ab

Hat nicht jeder eine Hypothyreose? Ein oder zwei Symptome der Liste liegen doch bestimmt bei jedem vor. Es müssen zwar nicht alle Symptome vorliegen, ein paar davon sollten es aber schon sein, besonders von den ersten: Zunehmende Energielosigkeit, verbunden mit Antriebslosigkeit, trockener Haut, Neigung zu Frieren und Neigung zu Gewichtszunahme, obwohl nicht mehr gegessen wird – da ist die Diagnose schon fast sicher. Die Therapie besteht dann in der Gabe des Schilddrüsenhormons nach den Laborwerten.

Hashimoto-Antikörper

Man sollte aber unbedingt auch nach dem Hashimoto fahnden. Warum reicht es denn nicht, einfach nur die fehlenden Hormone zu ersetzen? Ist es mehr als nur akademisches Interesse, die Ursache der Unterfunktion zu kennen? Der Hashimoto stellt heute die häufigste Ursache für eine Unterfunktion dar – vor wenigen Jahren war es der besonders in Deutschland vorkommende Jodmangel (seit der Jodierung von Salz deutlich weniger). 10 % aller Menschen weisen heute bereits Hashimoto-Antikörper im Blut auf (die Werte MAK und/oder TAK sind dann erhöht). Etwa die Hälfte von diesen weisen bereits Symptome einer latenten Unterfunktion auf. Ich messe bei allen meinen Patienten mit einer Hypothyreose diese Antikörper und werde sehr häufig fündig.

Therapie

Aber welche therapeutische Konsequenz hat denn die Kenntnis des Hashimoto? Wir wissen heute, dass Selen die Antikörper zwar nicht normalisieren, aber doch absenken kann, die Entzündung wird also zumindest abgebremst. Ich messe also auch den Selenwert im Blut und optimiere diesen an die obere Normgrenze. Jod, welches ansonsten ja von den Ernährungsgesellschaften in der Nahrung reichlich propagiert wird, sollte gerade bei Hashimoto eher gemieden werden, weil dieses den Entzündungsprozess möglicherweise fördert. Zum reichlichen Genuss von Meeresprodukten, die ja viele positive gesundheitliche Effekte aufweisen, würde man gerade dem Hashimoto-Patienten nicht anraten.

Prävention

Der wichtigste Punkt ist aber die Prophylaxe anderer, möglicherweise drohender Erkrankungen. Wir wissen heute, dass jemand mit der Autoimmunkrankheit Hashimoto eine viel höhere Wahrscheinlichkeit aufweist, auch noch eine andere zu bekommen. Um also Rheuma, MS, Asthma oder ähnliche Erkrankungen vermeiden zu helfen, ist es sinnvoll, sich präventiv mit Nährstoffen optimal zu versorgen, die davor schützen können. Ich rate also all diesen Personen zu einer optimalen Versorgung mit Vitamin D und Omega-3 – beides schützt vor Autoimmunprozessen. Omega-3 sollte bei Hashimoto aber nicht in Form von Seefisch, sondern als flüssiges Öl oder in Kapselform in einer Menge von etwa 2 g EPA/DHA verzehrt werden = 1 EL Fischöl oder 15 herkömmliche Fischölkapseln. Vitamin D sollte in einer solchen Menge zugeführt werden, dass ein Blutspiegel von 40-60 ng/ml oder 100-150 mmol/l gewährleistet ist. Die meisten Erwachsenen benötigen hierfür 2000-5000 IE. Selen sollte in einer Menge zwischen 50 und 200 µg genommen werden – am besten auch nach Blutspiegel. Das wichtigste selenhaltige Lebensmittel, der Seefisch, sollte von Hashimoto-Patienten ja eher selten verzehrt werden. Die Nahrung sollte außerdem reich an wertvollen sekundären Pflanzeninhaltsstoffen wie Curcumin (Gelbwurz, Curry), Gingerol (Ingwer), Katechin (Grüntee), Anthocyanen (blauroten Lebensmitteln wie roter Weintraube, Rote Beete, Heidelbeeren), Lycopin (Tomaten), Flavonoide (dunkle Schokolade, Zwiebeln, Äpfel) und vielen weiteren, „bunten Lebensmitteln“ sein. Damit kann sich jeder reichlich ernähren, wenn ich jedoch eine Autoimmunkrankheit habe, dann muss ich mich aber wirklich großzügig damit ernähren.

L-Thyroxin

So sieht das in der Therapie der Schilddrüsenunterfunktion verwendete L-Thyroxin aus

Kasuistik

Frau M. (46 Jahre) hatte wegen Antriebslosigkeit und depressiver Verstimmung 6 Wochen in einer psychosomatischen Klinik verbracht, ohne dass sich ihr Zustand dort entscheidend gebessert hätte. Sie war Gymnasiallehrerin und alleinerziehende Mutter eines 16 Jahre alten Jungens. Größere Probleme mit der Pubertät des Sohnes wurden verneint. Klimakterische wurden ebenso wenig wie prämenstruelle Beschwerden angegeben. Weil sie mein Burnout-Buch gelesen hatte, wünschte sie sich eine zusätzliche Diagnostik, um möglichen organischen Ursachen für ihre Erschöpfungssymptomatik auf den Grund zu gehen.

Antidepressiva

Die psychotherapeutischen Gespräche und der Kontakt zu Mitpatienten in ähnlicher Situation in der Klinik hatten ihr zwar gutgetan. Die Verordnung von Citalopram, einem Antidepressivum mit eher anregender Wirkung, hatte ihrer Meinung nach die Symptomatik aber nicht zum Positiven verändert.

Labor

Ich fragte sie nach bereits erfolgten Laboruntersuchungen, insbesondere nach Blutbild (hier ist der sauerstofftransportierende rote Blutfarbstoff besonders wichtig) und nach dem Schilddrüsenwert TSH. Beides sei untersucht worden, aber nach Auskunft des Arztes völlig in Ordnung gewesen. Ich veranlasste die Untersuchung von Vitamin D, Q10 und Ferritin und bat sie, den Laborzettel das nächste Mal mitzubringen.

Therapie

Q10 und der Eisenspeicherwert Ferritin waren in der Tat bei ihr in einem guten Bereich. Vitamin D lag bei 72 mmol/l, was kein gravierender Mangel, aber eben auch kein optimaler Wert war. Das Blutbild war tatsächlich völlig unauffällig. Das TSH lag aber bei 3,2, was zwar im Normbereich des Labors, aber keineswegs optimal war. Ich gab ihr mit Thyroxin 25 die niedrigste Dosis der Schilddrüsentablette und veranlasste noch eine Untersuchung der Schilddrüsen-Antikörper und untersuchte die Omega-6- und Omega-3-Fettsäuren sowie Selen im Blut. Zur Optimierung des Vitamin D-Spiegels bekam sie 2000 IE Vitamin verordnet.

Nach 6 Wochen

Nach 6 Wochen war das TSH auf 2,3 gesunken. Sie gab hierunter bereits ein wenig mehr Energie an. Ich erhöhte die Dosis auf 37,5 (also 1 ½ Tabletten). Der Schilddrüsenantikörper MAK war auf mehr als das Dreifache erhöht. Damit lag also eine Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenentzündung) mit einer latenten, aber bereits symptomatischen Schilddrüsenunterfunktion vor. Das Selen lag im unteren Normbereich. Da ich bei Hashimoto aber einen Wert im oberen Normbereich anstrebe, gab ich ihr 100 µg Selen. Der für Entzündungen wichtige Omega-6/3-Quotient lag bei 11,4 – optimal bei Entzündungen sind 2,5 oder weniger, weswegen ich ihr die Einnahme eines Esslöffels Fischöl empfahl.

Nach 3 Monaten

Drei Monate später lagen Vitamin D mit 110 mmol/l und TSH mit 1,4 im optimalen Bereich. Die Patientin war wieder voller Tatendrang und Energie. Das Psychopharmakon hatte sie vor einigen Wochen nach Rücksprache mit ihrem Psychologen abgesetzt. Von Depression war keine Rede mehr. Sie fragte mich allerdings vorwurfsvoll, warum ihre Ärzte die Schilddrüsenunterfunktion nicht erkannt und nicht nach dem Hashimoto gefahndet, sondern sie in die psychosomatische Ecke gestellt hätten.

Nach einem Jahr

Ein Jahr später ging es ihr subjektiv weiterhin blendend. Der Antikörper MAK hat sich immerhin nur noch auf das Doppelte der Norm reduziert. Deswegen und um sie vor weiteren Autoimmunkrankheiten zu schützen, nimmt sie neben dem Thyroxin auch Selen, Vitamin D und das Fischöl weiter ein.

Studie des Monats


Wie hilfreich ist Leinöl für das Herz?

In dieser Studie wurden 7202 Teilnehmer der PREvención con DIeta MEDiterránea (PREDIMED) Studie 5,9 Jahre lang nachverfolgt. Es wurde geprüft, welche Auswirkungen es auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat, wenn Teilnehmer sich an die Regeln der International Society for the Study of Fatty Acids and Lipids recommendation for dietary ALA halten. Diese besagen, dass man 0,7 % der Nahrungsenergie in Form der Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure zuführen soll. Dies entspricht knapp etwa 1 TL Leinöl oder 2 EL Rapsöl oder 10 g Chiasamen täglich. Außerdem wurde geprüft, welche Effekte das Einhalten der Ernährungsempfehlung von mehr als 500 mg maritimen Omega-3-Fettsäuren hat. Dies entspricht etwa 25 g Hering, 70 g Lachs, 80 g Makrele oder 700 g Kabeljau täglich. Und dies waren die Mindestempfehlungen – es kann sein, dass viele Teilnehmer noch deutlich mehr verzehrt haben.

Ergebnisse

Die Ergebnisse waren eindeutig: In der pflanzlichen Omega-3-Gruppe lag das Risiko für eine tödliche Herz-Kreislauf-Erkrankung bei 0,95. Das Risiko war also nur unwesentlich gesunken. In der Fischöl-Gruppe lag das Risiko hingegen bei 0,61. Es wurde also um nahezu 40 % gesenkt! Noch erstaunlicher waren die Unterschiede bei den tödlichen Schlaganfällen. In der pflanzlichen Omega-3-Gruppe gab es sogar 29 % mehr Todesfälle, in der Fischölgruppe hingegen 22 % weniger.

Ich höre immer wieder, dass pflanzliche Omega-3-Fettsäuren doch genauso gut seien wie die aus dem Meer. Die Daten aus großen Studien sprechen diesen Behauptungen Hohn. Ich halte Lein- und Rapsöl immer noch für gesünder als Sonnenblumen- oder Sojaöl. Wenn ich meine Gefäße aber wirklich vor Herzinfarkten und Schlaganfällen zuverlässig schützen will, dann komme ich an den maritimen Omega-3-Fettsäuren einfach nicht vorbei.

Fazit

Diese Daten sind besonders überzeugend, weil sie aus einer sehr großen Untersuchung über einen langen Zeitraum stammen und weil sie im Journal der Amerikanischen Herzgesellschaft, einem der weltweit führenden kardiologischen Magazine, veröffentlicht wurden.

 

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

 

 Schilddrüsenunterfunktion – ein Stiefkind der modernen Medizin

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: Nach meiner Erfahrung scheint die simple Schilddrüsenunterfunktion für viele Ärzte zu einfach zu sein. Wenn der TSH nicht über 7 ist, muss man gar nichts tun. Und wenn er drüber liegt, dann gibt es halt L-Throxin. Das kann doch jeder. Was für mich überhaupt nicht klar ist, warum es eigentlich keine Dosisfindungsstudien zur optimalen Einstellung einer Hypothyreose gibt – jedenfalls habe ich noch keine gefunden. Und es wäre doch so einfach: 100 Patienten mit einer Hypothyreose teilt man zufallsmäßig in 3 Gruppen auf. Die eine erhält so viel, dass der TSH gerade mal unter 7 sinkt, die zweite Gruppe so viel, dass wir knapp unter 4 kommen und bei der dritten Gruppe wird ein Wert von 1-2 angestrebt. Die Probanden füllen vorher Fragebögen zu Symptomen der Schilddrüsenunterfunktion sowie zur Lebensqualität aus. Nach Erreichen der Zielwerte werden die Fragebögen erneut ausgefüllt und geschaut, ob es Unterschiede zwischen den Gruppen gibt und die von mir postulierte optimale Einstellung von 1-2 den anderen überlegen ist. Dann wüsste man wirklich, was der für Menschen beste Wert ist.

Man muss aber gar keine Studien machen, sondern es reicht in der Regel auch, den Patienten achtsam zu befragen. Nach meiner Erfahrung – und viele meiner praktisch tätigen Kollegen bestätigen dies – fühlen sich Menschen mit einem TSH von 1,5 deutlich wohler als mit einem von 3,0. Sie haben mehr Energie, bewältigen ihre Arbeit deutlich besser, haben auch mehr Antrieb zu schönen Freizeitaktivitäten, treiben mehr Sport und haben deutlich weniger Gewichtsprobleme.

Ich wünsche niemandem etwas Böses. Aber manchmal würde ich mir schon wünschen, dass Endokrinologen, Internisten oder Hausärzte, die sich an die Doktrin „TSH unter 4 ist doch gut, erst ab 7 muss man therapieren“ halten, mal eine Woche lang mit einem TSH von 3,5 herumlaufen müssten. Ich bin sicher, dass sie ihr Verordnungsverhalten dann ändern würden.

Ich handele nach vielen positiven und negativen sowie auch eigenen Erfahrungen als Arzt und Patient nach der Devise: „Der Patient hat immer Recht.“ Wenn er Symptome hat, dann hat er sie. Selbst wenn sie nur psychosomatisch sein sollten, leidet er darunter und wir sollten ihn behandeln. Und wenn mir Patienten mit einem Hashimoto und einem TSH von über 2,5 berichten, dass sie sich physisch und psychisch nicht wohl fühlen, dann gebe ich entgegen der medizinischen Leitlinien (oder heißt es doch etwa „Leidlinien“?) Thyroxin und werde meist mit sehr positiven Rückmeldungen belohnt. Was mich nur wundert, dass die „Experten“ sich eher an theoretische Konstrukte als an persönliches Erfahrungswissen halten.

Ganz besonders schlimm finde ich, wenn Patienten psychosomatisiert werden anstatt nach organischen Störungen zu suchen und diese adäquat zu behandeln. Nicht dass es diese psychosomatische Ursache von Beschwerden nicht auch gäbe. Im Gegenteil, das kommt sogar häufig als alleinige Ursache oder als Verstärker von körperlichen Symptomen wie etwa Schmerzen oder Verdauungsstörungen vor. Aber gerade bei Darmerkrankungen sind viele Menschen unterdiagnostiziert (Koloskopie unauffällig, dann muss es doch psychisch sein). Und Schilddrüsenunterfunktionen werden eben viel zu selten und zu spät erkannt, es wird kaum nach den Ursachen gefahndet und die Therapie ist häufig „suboptimal“, um es einmal euphemistisch zu formulieren.

Ich wünsche mir achtsame Ärzte, die mehr auf Beschwerden ihrer Patienten achten und diese ernst nehmen, sowie Patienten, die aktiv mitdenken und mithandeln und entschieden für ihr Recht auf eine optimale Behandlung eintreten.

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