„Dass Frauen nicht weniger aggressiv sind als Männer, ist vollkommen klar, nur die Art, wie sich die Aggression äußert, ist sehr unterschiedlich.“

Margarete Mitscherlich-Nielsen
Deutsche Psychoanalytikerin, Ärztin und Autorin (1917 – 2012)

Margarete Mitscherlich-Nielsen steht bestimmt nicht in Verdacht, frauenfeindliche Äußerungen zu tätigen. Unter psychosomatischen Aspekten tendieren Frauen weniger dazu, Aggressionen nach außen zu zeigen. Vielleicht ist diese Aggressionshemmung ein Grund für das häufigere Auftreten von Autoimmunkrankheiten bei Frauen. Auf einer rein somatischen Ebene ist es vermutlich das vorwiegend weibliche Hormon Östrogen (auch Männer haben und brauchen Östrogen), welches über seine pro-entzündliche Wirkung für die Entstehung und das Ausmaß von Autoimmunkrankheiten besonders bei Frauen mit verantwortlich ist (1).

Diagnostik von Autoimmunkrankheiten und Allergien

Vor vier Newslettern ging es schon einmal um Autoimmunkrankheiten und warum Ernährung und Nährstoffe wie Omega-3, Selen, Zink und Vitamin D so wichtig sind. Viele Autoimmunkrankheiten lassen sich allein damit in den Griff bekommen, wenn alle Werte optimiert sind. Manchmal reicht dies aber nicht aus. Dann muss man etwas tiefer in die Trickkiste greifen.

Während ich die obigen Nährstoffwerte und Entzündungswerte wie etwa die CRP (C-reaktives Protein) bei jeder Autoimmunkrankheit/Allergie obligat bestimme, sind folgende Untersuchungen fakultativ – sie sind nicht zwingend notwendig, können aber sehr sinnvoll sein:

  • IgG-Nahrungsmittel-Test: Eine Allergie kommt selten allein. Wenn jemand zu allergischen Reaktionen neigt, so bezieht sich das selten auf nur eine Substanz. Nicht jede Allergie wird aber sofort erkannt. Während Sofort-Allergien leicht erkennbar sind (die Nase läuft sofort, wenn der Allergiker mit bestimmten Pollen in Kontakt kommt, es gibt Bläschen auf der Zunge, wenn der dagegen Allergische eine Erdbeere verspeist), können so genannte Verzögerungs-Allergien nicht immer erkannt werden, sondern nur, wenn man gezielt danach sucht. Leider scheinen gerade im Bereich der Nahrungsmittel Verzögerungs-Allergien häufiger als die vom Sofort-Typ vorzukommen. Ein umfassender Test mit vielen Lebensmitteln des Alltags kann hier weiterhelfen. Entscheidend ist aber die richtige Interpretation. Die positiven Testergebnisse zeigen Sensibilisierungen, aber noch keine Allergien an. Die positiven Lebensmittel sollten zunächst gemieden, dann aber nach und nach durch einen Provokationstest wieder zugeführt werden, der nach fünf Tagen noch einmal wiederholt werden sollte. Nur wenn eindeutige Reaktion produzierbar sind (das können neben Darmbeschwerden beispielsweise auch starke, Erschöpfung, Kopf- oder Gelenkschmerzen sein, sollte das entsprechende Lebensmittel für längere Zeit gemieden werden. Belastungen mit allergieauslösenden Lebensmitteln stimulieren das ganze Immun/Entzündungssystem und sollten daher gemieden werden.

Abb. 1: Allergien auf Mandeln oder auf Milch sind nicht selten, aber oft nur schwer zu erkennen – ein Test kann helfen

Stuhltest: Die Darmflora und die Integrität der Darmschleimhaut entscheiden mit über die Entzündungsneigung des Körpers. Besonders wenn noch weitere Auffälligkeiten wie Blähungen oder Durchfälle bestehen, sollte mit einer umfassenden Stuhluntersuchung nach Faktoren gefahndet werden, die auch Entzündungsprozesse im Körper unterhalten. Oft findet man bei Autoimmunkrankheit/Allergie ein so genanntes leaky gut-Syndrom. Dabei ist die Darmschleimhautintegrität beeinträchtigt, was zum Eindringen von Nahrungsmittelallergenen in den Körper führt, was wiederum Allergien und Entzündungen anheizt.

Abb. 2: Beim leaky gut-Syndrom ist die Integrität der Schleimhaut gestört – Lebensmittallergene können die Barriere passieren und Allergien sowie Entzündungen auslösen

  • Speichelhormontest: Hier werden die Hormone DHEA, Testosteron, Progesteron und Estradiol untersucht. DHEA, Testosteron und Progesteron wirken eher anti-, Estradiol dagegen eher proentzündlich. Hormondysbalancen sollten daher ausgeglichen werden.
  • Sandertest: Nicht selten sind Patienten mit Autoimmunkrankheiten/Allergien übersäuert und Übersäuerung scheint Entzündungen zu fördern. Beim Sandertest werden fünf Urinproben an einem Tag auf den pH-Wert und den Aziditätsquotienten untersucht. Damit bekommt man Hinweise darauf, ob entsäuernde Maßnahmen sinnvoll sind.
  • Spenglersantest: Der Davoser Arzt Dr. Spengler hat vor über 100 Jahren aus Bakterien homöopathische Medikamente entwickelt. Bei Entzündungen/Allergien kommen bestimmte Spenglersan in Frage. Beim Spenglersantest werden Blutstropfen mit den verschiedenen Spenglersanen vermischt. Wenn es eine Zusammenklumpung gibt, so ist dies ein Hinweis auf das zu wählende Mittel.
  • Psychokinesiologie: Die auch als Muskeltest bekannte Untersuchungsmethode stellt ein subjektives Testverfahren dar, mit dem energetische Belastungen der Organe erkannt werden könnte. In einem weiteren Diagnostikschritt kann erfasst werden, welche Stressoren zu dieser Belastung geführt haben. Oft sind chronischer Stress, lang dauernde Konflikte oder akute psychische Belastungen für chronische Entzündungen oder akute Schübe von Autoimmunkrankheiten mitverantwortlich. Diese Belastungen aufzudecken und anzugehen, kann ein wichtiger Schritt sein, Therapieblockaden zu überwinden.
  • Herzratenvariabilität (HRV): Stress fördert eindeutig Entzündungsprozesse. Mit einer speziellen EKG-Untersuchung kann man anhand der Herzratenvariabilität den Zustand des vegetativen Nervensystems beurteilen. Schlafqualität, Beeinträchtigung durch Stress oder Konflikte oder ein ausgeglichenes, gut regulierendes Vegetativum können mit der HRV objektiv erfasst werden. Mit einer kurzen mehrminütigen Messung kann man den aktuellen Zustand erfassen. Die aufwändigere 24h-Messung liefert zuverlässigere Ergebnisse, weil sie vor allem auch die Regeneration in der Nacht miterfasst.
  • DMPS-Test: Schwermetalle wie z.B. Quecksilber werden verdächtigt, Allergien und chronische Entzündungen auszulösen oder zu verstärken. Bei entsprechendem Verdacht (z.B. Amalgamplomben, Metallexposition im Beruf) kann eine solche Diagnostik sinnvoll sein, um erhöhte Belastungen zu erkennen und dann einer entsprechenden Ausleitung zuzuführen.

Nicht jeder muss all diese Untersuchungen durchführen. In leichteren Fällen kommt man vielleicht mit den oben aufgeführten und für mich obligaten Untersuchungen völlig aus. Je schwerer die Krankheit aber ist, je länger sie verläuft und je mehr Therapien – sowohl schul- als auch komplementärmedizinisch – bisher frustran verlaufen sind, umso mehr sollte man weitere Ursachen diskutieren und entsprechende diagnostische und daraus möglicherweise folgende therapeutische Optionen ergreifen.

Therapie – ein Füllhorn an Behandlungsmöglichkeiten

Auch hier wird man nicht bei jedem Alles machen müssen. Ich beginne mit den mir wichtigsten Maßnahmen, die ich fast immer anwende und schlage später die für mich eher in der Reserve stehenden Optionen vor. Diese können aber im Einzelfall auch einmal das entscheidende Verfahren darstellen. Wenn etwa der klinische Verdacht auf eine Östrogendominanz mit relativem Progesteronmangel besteht, dann tendiere ich auch dazu, bereits bei der ersten Konsultation die Hormonwert mit zu bestimmen. Siehe auch https://www.dr-schmiedel.de/hormone-hormonmangel/

Abb. 3: Vitamin D ist wichtig gegen Entzündungen – wir bekommen in der Regel zu wenig

  • Vitamin D: Ein optimaler Vitamin D-Spiegel liegt bei Entzündungskrankheiten für mich bei 40-60 ng/ml bzw. 100-150 nmol/l. Das sind die Werte, die Menschen haben, die sich artgerecht verhalten. Artgerechte Menschenhaltung ist eben keine „Käfighaltung“, wie wir sie seit der industriellen Revolution eingeführt haben, sondern eine „freilaufende Bodenhaltung“ – von der Steinzeit bis zu bäuerlichen Gesellschaften vor 200 Jahren lebten Menschen fast den ganzen Tag und fast das ganze Jahr über draußen. Menschen, die auch heute noch so leben (z.B. Gärtner, Straßenbauarbeiter), haben exakt die oben angegebenen für Menschen physiologischen Spiegel.
  • Selen: Als Bestandteil der Glutathionperoxidase wirkt Selen radikalentgiftend und antioxidativ. Rheumatiker haben häufig niedrige Werte und eine Therapie mit Selen verbessert die klinische Symptomatik. Für andere Autoimmunkrankheiten gilt vermutlich Ähnliches, auch wenn es hierzu wenige Studien gibt. Wie beim Vitamin D auch verlasse ich mich hier nicht auf die üblichen Labornormwerte, sondern strebe die Werte an, bei der die Glutathionperoxidase optimal funktioniert – und das ist im Bereich der oberen Norm. Ich gebe also so viel Selen, dass die obere Labornormgrenze erreicht oder leicht überschritten wird. Dafür sind meist 50-200 µg Selen notwendig.
  • Zink: Als Bestandteil der Superoxiddismutase wirkt Zink radikalentgiftend und antioxidativ. Es ist das wichtigste Mineral für das Immunsystem überhaupt. Hier strebe ich allerdings nur Normalwerte an. Ich gebe Zink, wenn sich der Zinkspiegel unterhalb oder im unteren Normbereich befindet. Ein mittlerer Normbereich reicht mir hier aber. Wenn ein Mangel vorliegt, sind meist 10-30 mg genug.

Abb. 4: Omega-3 aus maritimen Quellen wirken anti-entzündlich

  • Omega-3-Fettsäuren: Hier sind es die Omega-3-Fettsäuren Eicospentaen- und Docosahexaensäuren (EPA und DHA), die entzündungshemmend wirken. Sie senken entzündungsfördernde Leukotriene, Prostaglandine und TNF-Alpha und erhöhen entzündungshemmende Prostaglandine, Resolvine und Protectine. Das trifft leider nicht für die pflanzliche Omega-3-Fettsäure Alpha-Linolensäure (ALA) zu, die erst in EPA und DHA umgewandelt werden muss, was prinzipiell möglich ist, aber in viel zu geringer Menge erfolgt, um entzündungshemmend zu wirken. Auch wenn es immer wieder fälschlich behauptet wird, reicht Leinöl eben nicht aus, sondern es muss schon Fisch-, Krill- oder Algenöl sein. Krillöl empfehle ich wegen zehnfach höherer Kosten nicht. Algenöl ist etwas teurer als Fischöl und stellt die Alternative für Vegetarier/Veganer dar. Fischöl ist also mein Lieblingsöl bei Entzündungen. Neben einer guten Qualität (das Öl darf nur minimal nach Fisch schmecken, sonst ist es verdorben) ist die richtige Quantität entscheidend. Die Standarddosis bei Entzündungen ist ein EL Fischöl, 5 große Fischölkapseln oder 15 herkömmliche Fischölkapseln. Es sollte eine Dosis von 2 g EPA/DHA am Tag erreicht werden. Optimal zur Dosisfindung ist eine Fettsäureanalyse vor der Therapie. Bei Entzündungen sollte ein AA/EPA-Quotient von unter 2,5 erreicht werden. Manche benötigen dafür auch 1,5 oder 2 EL.
  • Bei Vitamin D und den Fettsäuren sehe ich so gut wie nie optimale Werte. Zink und/oder Selen muss ich nicht immer geben. In jedem Fall überprüfe ich nach 3 Monaten die nicht optimalen Laborwerte und sehe dann, ob die optimalen Spiegel erreicht sind und passe ggf. die Dosis an.
  • Antioxidation: Bei erhöhter oxidativer Belastung (siehe Diagnostik oxidiertes LDL, antioxidative Kapazität) ist neben Lebensmitteln mit antioxidativen Nährstoffen die Gabe von antioxidativen Nährstoffen wie Vitamin C und E sowie Zink und Selen sinnvoll.
  • Ozontherapie: Korrekt, die Ozoneigenbluttherapie, hat sich bei allen akuten und chronischen Entzündungen bewährt. Sowohl bei akuten Virusinfekten als bei auch chronisch entzündlichen Autoimmunkrankheiten wurden empirisch teilweise sehr gute Besserungen gesehen. Bei der Ozontherapie wird Blut entnommen und mit Ozon versetzt. Dieses ist eigentlich ein Gift und schädigt die Blutzellen. Diese werden dann wieder in die Vene gegeben (Ozon ist dann gar nicht mehr vorhanden, sondern hat schon außerhalb des Körpers mit dem Blut reagiert). Der Körper wird also quasi mit dem durch freie Radikale (Ozon bildet das Hydroxylradikal) „geschädigte Blut“ belastet. Ein gezielter, serieller Reiz mit kleinen Belastungen des (giftigen) Ozons trainiert aber die Abwehrmechanismen des Körpers und hat ist gerade bei entzündlichen Krankheiten mit chronisch erhöhten Belastungen durch freie Radikale sehr hilfreich. Eine kleine Serie kann z.B. in der wöchentlichen Ozoneigenbluttherapie bestehen, die fünfmal hintereinander durchgeführt wird. Auch zweimal wöchentlich oder zehnmal hintereinander sind möglich. Bei bestimmten Krankheiten sind auch andere Anwendungsformen möglich, z.B. lokale Therapie bei Neurodermitis, Darminsufflationen bei Colitis ulcerosa).
  • Mikroökologische Therapie des Darmes: Ich vermeide hier ganz bewusst den Begriff „mikrobiologische Therapie des Darmes“, da die Therapie mit probiotischen Bakterien nur ein einziger Baustein einer ganzheitlichen Therapie des Darmes darstellt. Ziel sollte es sein, die Ökologie des Darmes wiederherzustellen, damit von diesem keine proentzündlichen Reize für den Körper ausgehen.
  • Hormontherapie: Bei Hormondysbalancen kann eine Therapie mit naturidentischen, niedrig dosierten Hormonen hilfreich sein, nicht nur die Entzündungsneigung zu verringern, sondern auch andere subjektiv unangenehme Symptome wie Erschöpfung, Schlafstörungen, prämenstruelles Syndrom oder klimakterische Störungen günstig zu beeinflussen.
  • Basen-Therapie: Bei Übersäuerung (siehe Sandertest) ist neben Ernährung (viel Salat, Obst, Gemüse, wenig eiweißreiche Lebensmittel wie Fleisch, Wurst, Milchprodukte, Getreideprodukte) auch die Gabe von Basenpräparaten und ggf. sogar Baseninfusionen sinnvoll.
  • Spenglersantherapie: Bei chronischen Entzündungen kommt Spenglersan G, bei Allergien K oder Om in Frage. Optimal ist die Therapie nach positivem Spenglersantest.
  • Sanumtherapie: Die Sanumtherapie arbeitet mit homöopathischen Substanzen nach den Erkenntnissen von Enderlein. Bei chronischen Entzündungen gibt es hier gute therapeutischen Möglichkeiten.
  • Heilpilze: Einige Heilpilze haben sich empirisch bei Autoimmunkrankheiten bewährt, z.B. Shiitake, Reishi und Agaricus blazei. Qualitativ hochwertige Präparate in adäquater Dosierung können hier unterstützend wirken.
  • Ernährung: Die Ernährung bei Autoimmunkrankheiten sollte folgende Aspekte berücksichtigen:

Abb. 5: Tierische Fette aus Wurst, Fleisch und Milchprodukten sowie Transfettsäuren, z.B. in Kartoffelchips, fördern Entzündungen

a) Möglichst wenig Omega-6- und möglichst viel Omega-3-Fettsäuren. Tierische Fette wie Wurst, Fleisch und Käse, aber auch linolsäurereiche Pflanzenöle wie Sonnenblumen-, Distel-, Soja- oder Maisöl sind weitgehend zu meiden. Fische, besonders fette Fische wie Hering, Lachs, Makrele, Sardine sind 1-2x in der Woche zu verzehren (wegen der Schadstoffbelastung der Meere scheint mehr auch nicht sinnvoll zu sein). Pflanzenöle wie Lein-, Hanf-, Raps-, Leindotter- (alle mit Omega-3) und Olivenöl extra virgine (entzündungshemmende Polyphenole) sind günstig.

b) Die Nahrung sollte reich an sekundären Pflanzeninhaltsstoffen sein. Alle bunten (rot, blau, gelb, orange) Gemüse und Früchte sind zu bevorzugen, z.B. Tomaten, Weintrauben, gelbe Paprika, Mango. Auch alle Kohlarten wie Brokkoli, Weiß- und Rotkohl sind günstig.

c) An Gewürzen sollte nicht gespart werden. Besonders günstig sind Curcuma, Ingwer, Chili.

d) Wenn eine IgG-Nahrungsmittelallergietestung durchgeführt wurde, sollten mit diesem unverträgliche Nahrungsmittel herausgefunden und dann strikt gemieden werden.

e) Bei Hashimoto hat sich der Verzicht auf Gluten bewährt, bei Multipler Sklerose sollte Milch streng gemieden werden (Joghurt und andere bakteriell verarbeitete Milchprodukte scheinen zu gehen).

Genussmittel:

a) Nikotin: Rauchen ist für niemanden gut. Bei Autoimmunkrankheiten/Allergien geht es aber einfach gar nicht. Die Entzündung belastet den Körper schon mit freien Radikalen, da müssen nicht noch welche hinzukommen. Ein einziger Inhalationszug enthält 1014 freie Radikale – das ist eine Zahl mit 14 Nullen oder so viele Zellen, wie unser Körper besitzt. Ohne Verzicht auf dieses Gift ist eine erfolgreiche Behandlung sehr viel schwieriger.

b) Koffein: Jetzt einmal eine gute Nachricht. Kaffee ist nicht so schlecht wie sein Ruf. Er enthält sogar antioxidative Substanzen wie Chlorogensäure. Milch im Kaffee vermindert aber die Wirkung der Antioxidantien im Kaffee. Wenn Kaffee, dann also besser schwarz. Dasselbe gilt für das Catechin in Schwarz/Grüntee. Grüntee enthält mehr davon und englischer Tee mit Milch ist nicht so gut wie reiner Schwarztee. Schokolade bzw. der Kakao darin strotzt auch nur so vor Antioxidantien. Ein Riegel am Tag ist also nicht schlecht – je dunkler, desto besser.

c) Alkohol: Rotwein enthält Resveratrol, ein sehr potentes Antioxidans. Bier enthält Xanthohumol, welches ebenfalls antioxidativ wirkt. Ein Schlückchen Bier oder Wein in Ehren sollte also auch bei Autoimmunkrankheiten niemand verwehren. Größere Mengen belasten allerdings die Leber. Fünf Drinks pro Woche (Gläser Wein, kleine Flaschen Bier) sind tolerabel, wenn keine anderen Gegenanzeigen vorliegen.

Stress/Entspannung:

Stress fördert Entzündungen. Alles, was entspannend wirkt, ist daher bei Autoimmunkrankheiten äußerst sinnvoll. Größere Konflikte und psychische Belastungen sollten erkannt und möglichst beseitigt werden, ggf. auch mit psychotherapeutischer Unterstützung. Stress ist mit ausgleichenden Entspannungsverfahren zu begegnen. Egal ob Yoga, Autogenes Training, Meditationen, Feldenkrais oder Progressive Muskelrelaxation. Jeder Patient mit einer Autoimmunkrankheit/Allergie sollte mindestens ein Entspannungsverfahren erlernen und regelmäßig praktizieren. Einfache Verfahren sind das 4/6-Atmen oder der Bodyscan. All dies kann in Kursen, mit Büchern, CDs oder bei youtube erlernt und geübt werden.

Abb. 6: Entspannungsverfahren mindern nicht nur Stress, sondern auch Entzündung

Bewegung:

Regelmäßige Ausdauerbewegung (mind. 3×30 Minuten pro Woche) wirkt antientzündlich. Das Training kann langsam in der Dauer gesteigert werden, nicht jedoch in der Intensität. Diese sollte im Bereich der moderaten Belastung mit 50-75 % der maximalen Leistungsfähigkeit liegen. Der Puls sollte dabei 180 minus Lebensalter nicht wesentlich überschreiten. Eine einfache Faustregel besagt, dass man nicht außer Atem geraten sollte. Der Atem darf etwas schneller und tiefer werden, aber man sollte sich noch einigermaßen unterhalten können, ohne völlig außer Atem zu geraten. Bei intensiven Belastungen im anaeroben Bereich kommt es zu einem vermehrten Anfall von freien Radikalen, womit der Patient durch die Entzündung ohnehin schon belastet ist.

Autoimmunkrankheiten/Allergien sind unheilbar, da kann man nichts tun? Beileibe nicht. Zwar kann niemand eine Heilung versprechen, aber mit einem Bündel von sinnvoll auszuwählenden Einzelmaßnahmen kann man die Krankheit durchaus sehr positiv beeinflussen und im Einzelfall auch einen Stillstand bzw. Heilung erreichen. Heilung von einer Autoimmunkrankheit stellt dabei für mich einen anhaltenden Zustand von völliger Symptomfreiheit ohne konventionelle Medikamente dar. Therapeut und Patient sollten individuell und ganzheitlich die geeigneten Methoden auswählen.

Viel Erfolg!

Dr. Volker Schmiedel

Studie des Monats

Wie abergläubisch sind europäische Fußballfans?

Zum Abschluss der WM muss es mal was zum Thema Fußball sein. Vielleicht haben die deutschen Fans einfach nicht genug für die Titelverteidigung getan. Eine Studie eines Fußballsponsors (Link am Ende am Ende des Newsletters) ging der Frage nach, inwieweit europäische Fußballfans abergläubischen Ritualen wie etwa dem Tragen bestimmter Kleidungsstücke anhängen.

Aberglaube ist definitionsgemäß ein „als irrig angesehener Glaube an die Wirksamkeit übernatürlicher Kräfte in bestimmten Menschen und Dingen“ (3). Klassisches Beispiel ist die schwarze Katze, die – je nach kulturellem Hintergrund – als Glücksbringer oder auch als Unglücksbringer angesehen wird, wobei teilweise der Laufrichtung der Katze eine besondere Bedeutung beigemessen wird.

Ist es grundsätzlich vorstellbar, dass im modernen Fußball mit Laktatmessungen zur Leistungsdiagnostik und computergestützter Berechnung der Laufleistung jeden einzelnen Spielers Fußballfans immer noch an magische Rituale glauben, die mit dem Zeitalter der Aufklärung überwunden zu sein schienen?

Eine Studie an 5000 europäischen Fußballfans erbrachte erschreckende Fakten zutage: Die Italiener liegen mit 73 % abergläubischen Fans weit vorn. Dabei tragen 47 % bei einem Spiel ihrer Mannschaft immer dasselbe Kleidungsstück, 20 % bestehen darauf, auf demselben Platz zu sitzen, und 13 % essen und trinken bei einem Spiel stets dasselbe. Die Spanier liegen knapp dahinter. Die angeblich so rationalen Deutschen brauchen dabei gar nicht auf die Südländer herabzusehen: Immerhin 50 % von Ihnen sind auch abergläubische Fußballfans. Wer glaubt denn am wenigsten an eine magische Beeinflussung der Ergebnisse von Fußballspielen? Erstaunlicherweise sind es die Portugiesen mit nur 23 % Adhärenz an magische Praktiken, gefolgt von den Schweden mit 24 % und den Holländern mit 29 %. Korrelieren wir das doch mal mit den Ergebnissen bei Großereignissen nach der Umfrage (ich habe leider keine Zahlen z.B. von Kroatien, England, Frankreich und keine exakten Zahlen von Spanien eruieren können):

Was sehen wir? Die rationalistischen Holländer hätten vielleicht doch mal abergläubische Praktiken anwenden sollen. Bei den letzten beiden Turnieren waren sie nicht dabei, weil sie nicht an die Magie von Hasenpfoten oder Kleidungsstücken glauben! Dagegen sprechen allerdings die Portugiesen: Trotz weitestgehendem Verzicht auf Aberglaube wurden sie Europameister. Und die abergläubischen Tifosi trauerten mit ihrer Squadra azurra, dass diese erst gar nicht nach Russland reisen durfte.

Wir sehen: Jeder kann sich also heraussuchen, was er will. Wenn ich abergläubisch bin, so suche ich mir die Beispiele, die meine Ansicht beweisen. Und die Skeptiker können schließlich dasselbe tun. Also bemühen wir doch einmal die Statistik. Ich habe spaßeshalber mal das Ausmaß des Aberglaubens mit einem Erfolgsscore bei den Meisterschaften (Nichtteilnahme = 0 Punkte, Vorrunde = 1 Punkt….Titelgewinn = 6 Punkte) korreliert.

Bei der WM 2014 lag die Korrelation zwischen Aberglaube und Erfolg bei exakt 0,00. Dabei ist 1 der größtmögliche statistische Zusammenhang. -1 ist statistisch der größtmögliche negative Zusammenhang. Und Werte um 0 herum bedeuten einfach gar keinen Zusammenhang. Bei der EM 2016 lag die Korrelation bei -0,01, also auch überhaupt kein statistischer Zusammenhang.

Schaut man sich die WM 2018 an, so ist die Korrelation mit -0,37 sogar leicht negativ. Der statistische Zusammenhang sagt: Je abergläubischer die Fans waren, desto geringer war der Erfolg.

Für alle drei Ereignisse zusammengenommen ist die statistische Korrelation mit -0,13 ebenfalls leicht negativ. Die Fallzahlen waren allerdings viel zu niedrig, um eine statistische Signifikanz zu erreichen – die Ergebnisse können statistisch gesehen also durchaus auf Zufall beruhen. Dies bedeutet: Abergläubische Praktiken im Fußball nützen nicht, aber wahrscheinlich schaden sie auch nicht. Freuen wir uns also auf die EM 2020 mit erneuten Fähnchen an den Autos, Landesflaggen auf den Balkons und karnevalesk gekleideten Fußballfans – lassen wir ihnen einfach ihren (Aber)glauben!

Abb. 7: Aberglaube unter Fußballfans – eher die Regel als die Ausnahme

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Aberglaube im Fußball = Placebo in der Medizin?

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: Die Mehrheit der Fußballfans hängt abergläubischen Praktiken an? „Jo, is denn scho Weihnachten?“ möchte man mit der (ehemaligen) Lichtgestalt des deutschen Fußballs, Franz Beckenbauer, ausrufen.

Spaß beiseite, ist es nicht erschreckend, dass aufgeklärte Menschen des 21. Jahrhunderts selbstverständlich das Internet nutzen, über Satelliten weltweit miteinander kommunizieren und künstliche Intelligenz erschaffen – und gleichzeitig magische Rituale praktizieren, die wir sonst nur bei in Säcken gehüllten Analphabeten des finsteren Mittelalters vermuten?

Menschen haben schon immer logische Verknüpfungen hergestellt. Das hat sich evolutionär als überlebenswichtig erwiesen. Unsere Vorfahren vor hunderttausenden von Jahren waren „Steppentiere“ – und sie waren keine Jäger, sondern Beutetiere. Wenn sich in der Steppe das Gras bewegte, sollte man eher annehmen, dass es sich um einen Löwen als um eine Antilope handelte. Die Optimisten, die eine Antilope vermuteten, sind ausgestorben. Wir sind Nachfahren der vorsichtigen Anhänger der „Löwen-These“.

In der Antike haben unsere Vorfahren keine Erklärungsmöglichkeit für natürliche Wetterphänomene gehabt. Also bemühten sie Götter, um das Unerklärliche zu erklären. In Ägypten gab es den Sonnengott Ra, in Griechenland den Blitzeschleuderer Zeus und unsere germanischen Vorfahren verehrten den Donnergott Donar. Wenn wir eine „rationale Erklärung“ für unverständliche Phänomene haben, was liegt dann näher, als diese Phänomen über die Götter beeinflussen zu wollen. Beten ist da noch die harmlosere Variante. Im worst case sind es Gruppen wie die Maya, die mit den Göttern dargebrachten Menschenopfern Regen herbeisehnten. Menschenopfern für Regen und dem Tragen eines Talismans für den Sieg des eigenen Fußballteams liegt prinzipiell dieselbe Denkstruktur zugrunde.

Was hat das nun mit dem Placebo in der Medizin gemeinsam und was unterscheidet es davon? Fangen wir mit letzterem an: Was sagt es über mich aus, wenn ich glaube, dass ich durch das Tragen eines kultischen Gegenstands den Ausgang eines tausende Kilometer entfernten Fußballspiels beeinflussen könnte? Wissenschaftliche Evidenz dafür wird sich nicht nachweisen lassen. Ganz anders beim Placebo („ich werde gefallen“). Hier kann der Glaube (nicht der Aberglaube!) tatsächlich Berge versetzen. Wenn ich daran glaube, dass blaue Pillen eher beruhigen als rote, obwohl der selbe Inhaltsstoff in gleicher Dosis enthalten ist (tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen), dann werde ich damit auch besser einschlafen können.

Placebo-Effekte gibt es in der konventionellen genauso wie in der komplementären Medizin. So konnte für arthroskopische Operationen der Kniegelenksarthrose mit Glättung des Knorpels kein Effekt nachgewiesen werden, der den eines Placebos übersteigt – die Maßnahme wird aber weiter durchgeführt (und von den Kassen bezahlt!, 4). In der Naturheilkunde beruhen alle Verfahren (ebenso wie in der „Schulmedizin“) auch auf Placebo-Effekten, viele überwiegend und einige wohl ausschließlich darauf. Um Ungemach seitens einiger User dieses Newsletters vorzubeugen, nenne ich keine aktuell von mir der Wirkung durch ausschließlich Placebo-Effekte verdächtigten Verfahren, sondern stelle mit völlig nutzlosen „Apfelessig-Kapseln“ zur Gewichtsreduktion einen „uralten Hut“ an den Pranger, der niemals das Gewicht, aber immer den Geldbeutel reduziert hat.

Das Beste ist, wirksame Verfahren – sei es in der „normalen Medizin“ oder in der „Außenseitermedizin“ – mit Placebo-Effekten zu potenzieren (ist hier nicht homöopathisch gemeint). Wenn ein Verfahren wirksam ist und ich erreiche es, dass mein Patient auch noch unbeirrbar daran glaubt, dann erziele ich die besten Effekte. Wissen hilft. Und Glaube verstärkt. Dann sind Placebo-Effekte ein „positiver Aberglaube“ und unbedingt zu fördern. Leider machen sich immer noch zu wenige Therapeuten und Patienten die Erkenntnisse der Placebo-Forschung (mittlerweile ein eigener Zweig der medizinischen Wissenschaft) zunutze. Dabei könnten wir damit so viele Nebenwirkungen vermeiden und die Wirksamkeit unserer Medikamente und Verfahren so sehr verbessern. Also:

  • Ein Kleidungsstück, einen Talisman, eine seltsame Angewohnheit zur Steigerung des Erfolges Ihrer Fußballmannschaft können sie sich gern weiter zu eigen machen – es nützt zwar nichts, schadet aber auch nicht (wenn es nicht übertrieben und zwanghaft ausgeübt wird).
  • Placebo-Effekte in der Medizin sollten Sie auf jeden Fall ausnutzen: Stellen Sie sich beim Anlegen eines Leberwickels vor, wie Ihre Leber besser durchblutet wird und Schadstoffe abtransportiert werden. Visualisieren Sie, wie ein schulmedizinisches Blutdruckmittel Ihre Gefäße erweitert. Und wenn nicht irgendetwas Skepsis in Ihnen erzeugt, die dann auch thematisiert werden sollte: Vertrauen Sie Ihrem Therapeuten, vertrauen Sie der Natur und vertrauen Sie den Selbstheilungskräften Ihres Körpers!

Alles Gute für Ihre Gesundheit (und wenn Sie ein abergläubischer Fan der deutschen Nationalmannschaft sind, so wählen Sie bei der nächsten EM bitte ein anderes Ritual!),

Ihr Dr. med. Quintus Querulantius

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Literaturliste – für alle, die wissenschaftlich tiefer bohren und die wissenschaftlichen Quellen erkunden möchten, unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed können Sie die Abstracts (in Englisch) nachlesen und manchmal auch Links zu den Originalarbeiten finden:

  1. Patel S, Homaei A, Raju AB, Meher BR: Estrogen: The necessary evil for human health, and ways to tame it. Biomed Pharmacother. 2018 Jun;102:403-411. doi: 10.1016/j.biopha.2018.03.078. Epub 2018 Mar
  2. https://www.presseportal.de/pm/113997/3039878
  3. https://www.duden.de/suchen/dudenonline/aberglaube
  4. https://www.iqwig.de/de/projekte-ergebnisse/projekte/nichtmedikamentoese-verfahren/n11-01-arthroskopie-des-kniegelenks-bei-gonarthrose.1395.html</img=””>