Sehr geehrter Herr Dr. Schmiedel,

 

ihre Beiträge und Berichte in verschiedenen Gesundheitspublikationen finde ich immer interessant und zuletzt auch ihr Vortrag in Esslingen.

Seit vergangener Woche verwende ich auch ihr empfohlenes Fischöl.

Nun hätte ich gerne eine Auskunft von ihnen. Vor ein paar Monaten hat mir ein Heilpraktiker Juvel-5 natürliche Aminosäurekapseln empfohlen welche ich auch gekauft habe sowie ein weiteres Präparat Mindalin. Eine Einnahme dieser Mittel ist noch nicht erfolgt da ich inzwischen  skeptisch geworden bin und an der Wirksamkeit zweifle. Die Präparate waren nicht billig und ich würde sie gerne einnehmen wenn sie für mich nicht gesundheitsschädlich sind.

Seit 2008 habe ich Vorhofflimmern und 2010 hatte ich eine schwere Sepsis mit Nierenversagen und einem Hinterwandinfarkt gut überstanden. Als Betablocker nehme ich Nebivolol und den Blutverdünner Marcumar.

Ich wäre ihnen sehr dankbar wenn sie mir weiterhelfen könnten.

Mit freundlichen Grüßen

Antwort:

Ich habe bisher nicht verstanden, warum ein Großteil der Bevölkerung überhaupt Aminosäurelapseln nehmen soll. Ich kann bis auf wenige Ausnahmen wie schwere Malabsorption, bestimmte Leber- oder Nierenfunktionsstörungen keine Indikation für den Einsatz von Aminosäurekapseln erkennen. Ich kenne auch keine Studien, wo Breitspektrum-Aminosäurekapseln irgendeinen gesundheitlichen Effekt nachgewiesen hätten. Auch hier gibt es wieder wenige Ausnahmen (z.B. ganz bestimmte Aminosäurekombinationen bei der hepatischen Enzephalopathie). Aminosäuren sind die Einzelbestandteile der Eiweiße. Eiweiße haben wir aber mehr als genug in der Nahrung. In der durchschnittlichen mitteleuropäischen Ernährung wird leicht das Doppelte der empfohlenen Menge verzehrt. Wie viel enthält eine Aminosäurekapsel? 500 mg und wenn sie groß ist 1000 mg. Selbst wenn es reine Aminosäuren sein sollten, dann habe ich in einem Bissen Käse, in einem TL Soja, ja selbst in einem Esslöffel Hafer mehr Aminosäuren als in so einer Kapsel. Den Aminosäurenbedarf kann man also leicht mit der Nahrung decken. Wenn dazu noch ein Hersteller die Zusammensetzung seiner Kapseln verschweigt (ich habe trotz mehrerer Minuten des Suchens auf der Internetseite nichts finden können), dann weiß ich, dass ich ein solches Präparat keinem meiner Patienten empfehlen kann (schon gar nicht zu diesem Preis).
Vor die Therapie haben die Götter die Diagnostik gesetzt. Wer wirklich glaubt, dass er einen Aminosäuremangel habe, bei dem bestimme ich im Blut das Gesamtweiweiß und alle einzelnen Aminosäuren. Dann sehe ich, ob überhaupt Mangelzustände vorliegen. Wenn einzelne Aminosäuren fehlen (z.B. Tryptophan bei der Depression oder Arginin bei der endothelialen Dysfunktion – bei jeder KHK messe ich deswegen das ADMA, was aber die Kardiologen praktisch nicht machen, ist das bei Ihnen jemals gemacht worden?), dann gebe ich diese gezielt. Wenn das Eiweiß generell erniedrigt ist oder mehrere Aminosäuren niedrig sind, dann gebe ich Ernährungstipps zu einer verbesserten Eiweißzufuhr mit einer hochwertigen Kombination, z.B. Kartoffel/Ei, Getreide/Milch oder gebe ein gutes, aber preiswertes Eiweißpulver.
Das Mindalin ist ein Kombinationspräparat, welches viele Vitamine und Mineralstoffe in jeweils wirklich guten Mengen enthält. Hier kann man auf der Internetseite immerhin die Zusammensetzung erkennen. Aber auch solchen Kombipräparaten stehe ich prinzipiell sehr skeptisch gegenüber. Warum soll ich Kalium oder B12 einnehmen, wenn ich es über die Nahrung genügend zuführe? Vitamin D ist hingegen nur in einer Menge von wenigen hundert IE enthalten, Herzpatienten benötigen aber mehrere Tausend. Omega-3 – der allerwichtigste Stoff bei Herzpatienten – ist überhaupt nicht enthalten. Q10 – der zweitwichtigste Stoff für das Herz – ist auch nicht enthalten. Merkwürdig – wer erfindet Herzpräparate, die die für das Herz wichtigen Substanzen gar nicht enthalten? Kombipräparate enthalten Stoffe, die der Patient meist nicht braucht. Und von denen, die er braucht, enthalten sie zuwenig. Warum sollte ich sie dann nehmen?
Oder sollte ich hier nicht auch gezielt und differenziert vorgehen? Ich messe bei Herzpatienten Vitamin D, Homocystein (Vit. B6, B12, Folsäure), Magnesium, Kalium, ADMA (Arginin), Q10 und die Fettsäuren (Omega-3). Dann gebe ich gezielt nur das, was der Patient benötigt, aber in der richtigen Dosierung. Nach drei Monaten wird nachgemessen und die Feinabstimmung vorgenommen. Das kostet zwar anfangs etwas mehr an Diagnostik, dafür spare ich aber unnötige Präparate ein. Und ich weiß, was der Patient langfristig braucht, um wirklich optimal eingestellt zu sein. Davon kann ich mir dann auch gesundheitliche Effekte erwarten. Suchen Sie sich bitte jemanden, der Ihnen einen solchen Maßanzug näht und kaufen Sie sich für Ihre Gesundheit keinen Anzug von der Stange, der meistens gar nicht passt. Viel Erfolg!
Mit herzlichen Grüßen,
Dr. Volker Schmiedel