„Es wird ja fleißig gearbeitet und viel mikroskopiert,
aber es müßte mal wieder einer einen gescheiten Gedanken haben.“

(Dr. Rudolf Virchow (1821-1902))

Dr. Virchow war einer der bedeutendsten Ärzte das ausgehenden 19. Jahrhunderts. Er war nicht nur Arzt, sondern auch Politiker. Er vertrat eine naturwissenschaftliche und soziale Medizin. Als Gegner von Otto von Bismarck wurde er von diesem sogar zum Duell herausgefordert. Ärzte müssen dürfen, können und müssen manchmal sogar politisch werden, wenn sie die Gesundheit des Individuums und der Gemeinschaft in Gefahr sehen, so dass ich an dieser Stelle schon um Verständnis für die heutigen Äußerungen des Kollegen Querulantius bitte.

Sind Sie noch normal?

Was ist eigentlich normal? Was kann noch als Normvariante durchgehen? Was ist wirklich pathologisch? Und muss das dann auch immer behandelt werden? Dies sind für den Einzelnen und die Gesellschaft zentrale Fragen, wobei ich mich immer wieder wundere, wie wenig diese in der Medizin und in der Gesellschaft thematisiert werden.

In der Psychologie bezeichnet Normalität ein erwünschtes, akzeptables, gesundes und förderungswürdiges Verhalten im Gegensatz zu unerwünschtem, behandlungsbedürftigem, gestörtem und abweichendem Verhalten (1).
In der medizinischen Statistik stellt die Normalverteilung einen wichtigen Typ stetiger Normalverteilungen dar. Die Älteren unter uns werden sich noch an den Zehnmarkschein erinnern, der diese so genannte Gaußsche Verteilung gewürdigt hat.

Zehnmarkschein mit dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß

Abb. 1: Zehnmarkschein mit dem Mathematiker Carl Friedrich Gauß

Alle möglichen biologischen, sozialen oder medizinischen Parameter sind normalverteilt. Dies können die Längen aller Blätter eines Birkenbaumes, die Schadenshöhen von KFZ-Unfällen oder auch Cholesterinwerte der europäischen Bevölkerung sein. Ich kann Ihnen leider wieder nicht ein wenig Statistik ersparen: Eine Standardabweichung ist eine Kennzahl statistischer Verteilungen. In einer Gaußschen Normalverteilung befinden sich etwa 2/3 aller Werte innerhalb einer Standardabweichung vom Mittelwert, etwa 95 % innerhalb von zwei Standardabweichungen vom Mittelwert und mehr als 99 % innerhalb von drei Standardabweichungen vom Mittelwert. Die medizinischen Normalwerte von Laboruntersuchungen sind (meistens!) so definiert, dass 95 % (also zwei Standardabweichungen vom Mittelwert nach oben oder nach unten) als normal bezeichnet werden. Kleine Abweichungen vom Mittelwert treten häufiger auf als große Abweichungen – ein Mann mit einer Körpergröße von 175 cm kommt häufiger vor als jemand mit 214 cm. Eine Abweichung von dieser Range kann also einen krankhaften Zustand bezeichnen – kann aber auch durchaus einmal zufällig auftauchen, ohne dass eine Krankheit vorliegen muss.

Gaußsche Normalerteilungskurve mit den Standardabweichungen

Abb. 2: Gaußsche Normalerteilungskurve mit den Standardabweichungen

Messe ich nun einen einzigen Laborwert, so kann es mit einer Wahrscheinlichkeit von 5 % vorkommen, dass der Wert auch einmal zufällig außerhalb der Norm liegt. Messe ich hingegen 20 verschiedene Laborwerte, so besteht schon eine Wahrscheinlichkeit von 65 %, dass ein Wert daneben liegt. Und bei 100 verschiedenen Laborwerten ist mit 99,5 %iger Wahrscheinlichkeit ein Ausreißer dabei, ohne dass dies eine Krankheit bedeuten muss. Anders ausgedrückt: Wenn ich bei 200 gesunden Menschen 100 verschiedene Laborwerte messe, dann hat statistisch nur ein einziger alle 100 Werte im Normbereich. Anders ausgedrückt: Gesund ist nur derjenige, der nicht ausreichend untersucht wurde! Machen Sie nur genügend Checkups und Screening-Untersuchungen und Sie sind mit Sicherheit krank! Damit sei nichts gegen sinnvolle Vorsorgeuntersuchungen wie etwa die Koloskopie (Darmspiegelung) ab 50 gesagt. Ich wehre mich hier allerdings gegen den Begriff „Krebsvorsorge“, sondern bevorzuge lieber den ehrlicheren Begriff „Krebsfrüherkennung“ – der ist aber offensichtlich nicht so attraktiv.

Normal ist nicht immer optimal 

Einige Laborwerte sind tatsächlich normalverteilt. Man hat also eine größere Anzahl von Menschen (vermeintlich gesunden Menschen!) einer Laboruntersuchung unterzogen und geschaut, wo die Grenzen liegen, innerhalb derer sich 95 % innerhalb der Norm finden. Aber bereits das muss kritisch hinterfragt werden. Nehmen wir einmal den Leberwert yGT (sprich Gamma-GT). Dieser spiegelt die Integrität der Hepatozyten wider. Ist der Wert über die Norm erhöht, so heißt dies, dass vermehrt Leberzellen untergehen. Im Rahmen der Zellmauserung gehen immer Leberzellen zugrunde – ein bisschen Schwund muss sein. Aber wie viel Zelluntergang ist denn normal? Und wie ist die „normale yGT“ ermittelt worden. Wenn Sie den Laborzettel einmal studieren (in einem Standard-Check ist die yGT immer dabei), so fällt Ihnen auf, dass Männer eine deutlich höhere „normale yGT“ aufweisen als Frauen. Woran liegt das? Haben Frauen etwa widerstandsfähigere Lebern als Männer?

Wir erhalten die Lösung, wenn wir uns klarmachen, wie die „Normalwerte“ ermittelt worden sind. Wie oben schon erwähnt, wurde an einer ausreichend großen Anzahl an (gesunden!) Probanden die yGT gemessen. Diese Probanden sollten also nicht an einer Hepatitis leiden, keinen Fuchsbandwurm beherbergen und in den letzten Tagen auch keinen Knollenblätterpilz verzehrt haben – all dies würde den sensiblen Leberwert yGT selbstverständlich erhöhen. Der häufigste Faktor, der die yGT erhöht, ist neben einem deutlichen Übergewicht aber der Alkoholkonsum. Und wir sprechen hier nicht von einem chronischen Alkoholismus mit exzessiv hohen Mengen, sondern vom „Alkoholismus“ der Normalbevölkerung. Auch ein „moderater Alkoholkonsum“ (welcher Pfälzer würde schon zwei Glas Wein und welcher Bayer würde schon eine Maß als pathologisch ansehen?) schlägt bei der yGT bereits zu Buche.

Eigentlich hätte man tausend Probanden mit einem Alkoholkonsum von deutlich weniger als 10-20 g (das sind ein bis zwei kleine Flaschen Bier oder kleine Gläser Wein mit 100 ml) auswählen müssen. Die muss man aber erst einmal finden. Hätte man dies getan, also wirklich Menschen mit einer ziemlich lebergesunden Lebensweise ausgewählt, so hätte man deutlich geringere Normwerte erhalten. Die „Normwerte“ der Männer sind einfach höher, weil diese mehr (pardon!) saufen.

Solche wirklich „gesunden Normwerte“ würden aber dazu führen, dass der Großteil der Bevölkerung pathologische Laborwerte hätte, die möglicherweise behandlungsbedürftig wären und eben eine Änderung der Lebensweise erforderlich erscheinen ließen. Das hätten wir dann vielleicht doch nicht so gern. Und die Lobby der Winzer, Bierbrauer und Spirituosenhersteller würde auch nicht so gerne sehen, wenn größere Teile der Bevölkerung schon als leberkrank diagnostiziert würden. Dieser Normwert unterliegt also weniger medizinisch-gesundheitlichen als vielmehr sozial und politisch erwünschten Zwecken.

Ganz anders schaut dies hingegen beim Cholesterin aus. Der statistische Normalwert der hiesigen Bevölkerung liegt möglicherweise bei etwa 200-300 mg/dl (5,2-7,8 mmol/l). Stünde dieser Wert auf dem Laborzettel, wäre ein Mensch mit einem Wert von 280 mg/dl (7,3 mmol/l) wohl kaum dazu zu bewegen, ein von seinem Arzt verordnetes Statin zu nehmen – er habe doch schließlich normale Werte. Hier hat sich ganz klar die Lobby der Kardiologen und Pharmahersteller durchgesetzt, die eben nicht den statistischen Normwert zugrunde gelegt, sondern einen für Arteriosklerose optimalen Wert postuliert haben (meist 200 mg/dl = 5,2 mmol/l). Wir wollen uns hier gar nicht auf das glatte Eis der Diskussion begeben, was denn nun wirklich der Optimalwert beim Cholesterin ist, sondern uns ausschließlich statistischen Fragen widmen.

Mit zweierlei Maß messen

Wir konstatieren also: Beim Leberwert yGT haben wir einen Normalwert einer zwar lebergesunden Bevölkerung mit einem aber durchschnittlich nicht optimalem Alkoholkonsum, um nicht allzu viele ins Abseits des Pathologischen zu stellen. Beim Risikofaktor Cholesterin haben wir aber einen vermeintlich optimalen Wert auf dem Laborzettel, um ja nicht zu viele Gesunde zu haben, weil das die Therapie mit Statinen enorm erschweren würde. Warum man hier mit zweierlei Maß misst (und Maß passt je wieder zur Leber), leuchtet mir aus medizinischen Gründen nicht zwingend ein.

Die Schilddrüse, Taktgeber unseres Stoffwechsels

Wie schaut es nun beim wichtigsten Schilddrüsenwert TSH aus? Das TSH spiegelt die Schilddrüsenfunktion wider, wobei paradoxerweise hohe Werte einer Unterfunktion und niedrige Werte einer Überfunktion entsprechen. Der Normwert liegt bei den meisten Laboren etwa um 0,4-4,0 IU/l – kleine Abweichungen sind von Labor zu Labor möglich. Spiegelt das denn nun wenigstens die Norm wider? Die statistische Norm ja, die optimale Norm leider nicht. Als diese Normwerte vor langer Zeit festgelegt wurden, wussten wir noch nicht, dass etwa 10 % der Bevölkerung an Hashimoto leiden, der häufigsten Autoimmunkrankheit (siehe auch https://www.dr-schmiedel.de/hashimoto/). Viele davon haben bereits einen leichten Schaden mit einer Beeinträchtigung der Schilddrüsenfunktion. 5 % der Menschen bei uns haben bereits eine klinisch relevante Schilddrüsenunterfunktion. Wenn diese aber in die Normwertberechnung einbezogen werden, dann haben wir falsch zu hohe Werte. Dies erklärt dann auch, warum viel zu selten nach einem Hashimoto gesucht wird und viel zu spät eine Behandlung erfolgt.

Beispiel: Vor wenigen Jahren arbeitete ich an einer großen Klinik, die auch eine psychosomatische Abteilung hatte. Immer wieder wurden auch Patienten dieser Abteilung mit Burnout konsiliarisch zu mir geschickt. Nicht wenige davon wiesen eine klinisch relevante Schilddrüsenunterfunktion bei Hashimoto auf, obwohl der TSH-Wert doch „eigentlich normal“ war. Ich erlebe das leider immer wieder. Ich frage den Patienten, ob die Schilddrüse denn schon einmal gemessen worden ist. Oft wird dies bejaht mit dem Zusatz, dass alles in Ordnung sei. Darauf lasse ich es aber nicht beruhen, sondern bestehe darauf, den exakten TSH-Wert zu erfahren. Sehr oft finde ich dann einen Wert von 2,5-4, was zwar noch „normal“ ist, aber keineswegs optimal (nach meiner Ansicht 1-2 IU/l). Viele Menschen mit diesen Werten leiden bereits unter Symptomen einer Schilddrüsenunterfunktion wie Müdigkeit, leichte Erschöpfbarkeit, Gewichtszunahme trotz wenig Essen, Frieren usw. (siehe auch https://www.dr-schmiedel.de/hashimoto/).

Wegen angeblicher Normalität wird dies von den meisten Ärzten aber nicht weiter beachtet, ja, der Patient mitunter sogar „psychosomatisiert“, wie ich es immer erlebt habe. Weder wird die latente Unterfunktion behandelt noch nach den Ursachen dafür gefahndet. Wenn großzügiger die Schilddrüsenantikörper untersucht würden, dann käme man den Ursachen körperlich und psychisch belastender Symptome viel schneller auf die Schliche. Dann gingen nicht Jahre der weiteren Zerstörung ins Land, weil die Autoimmun- bzw. Autoaggressionskrankheit Hashimoto (das eigene Immunsystem zerstört Schilddrüsengewebe) viel früher entdeckt und behandelt werden würde.

Die Schilddrüse – zentrale Schaltstelle des gesamten Stoffwechsels

Abb. 3: Die Schilddrüse – zentrale Schaltstelle des gesamten Stoffwechsels

Vitamin D-Werte sind künstlich zu niedrig

Beim Vitamin D sind die Normwerte viel zu niedrig, weil sie an einer Bevölkerung in „Käfighaltung“ und nicht bei artgerechter Lebensweise erhoben wurden. Der „normale Normalwert“ liegt bei 20-40 ng/ml bzw. 100-150 nmol/l. „Mein Normalwert“ (und der vieler Therapeuten, die sich mit Vitamin D intensiv befasst haben) liegt bei 40-60 ng/ml bzw. 100-150 nml/l. Näheres hierzu siehe unter https://www.dr-schmiedel.de/vitamin-d-unter-beschuss/ 

Fragen Sie nach!

Seien Sie also kritisch. Fragen Sie nach, was die Laborwerte wirklich bedeuten. Was ist nur statistisch normal? Was ist optimal? Und was ist klinisch relevant? Lassen Sie sich nicht mit den (teilweise fragwürdigen) Grenzwerten auf dem Laborzettel abspeisen. Informieren Sie sich. Nehmen Sie die Verantwortung für Ihre Gesundheit selbst in die Hand. Und suchen Sie sich – wo Sie allein nicht weiterkommen – die Unterstützung differenziert denkender und ganzheitlich arbeitender Therapeuten. Und lassen Sie sich nicht entmutigen!

Herzliche Grüße,

Dr. Volker Schmiedel

 

Studie des Monats

Gute Fische, schlechte Fische – schützen Fische immer vor Entzündungen?

Bleiben wir beim Thema Hashimoto. Lange Zeit habe ich kaum etwas zum Thema Hashimoto und Omega-3-Fettsäuren gefunden, obwohl diese doch aufgrund ihrer entzündungshemmenden Eigenschaften auch vor dieser häufigen Schilddrüsenentzündung schützen müssten.

In einer aktuellen Studie wurden bei 236 schilddrüsengesunden, nicht-rauchenden, weißen, schwangeren Frauen die Schilddrüsenantikörper gemessen (2). Diese wurden dann mit der Art des Fischverzehrs verglichen. Wie erwartet hatten tatsächlich die Frauen, die bevorzugt fette Fische verzehrten (also mit dem höchsten Gehalt an Omega-3-Fettsäuren) die niedrigsten Schilddrüsenantikörperspiegel. Die meisten Antikörper wiesen Frauen auf, die Schwertfische bevorzugten. Schwerfische stehen am Ende der Nahrungskette. Die Gruppen mit Bevorzugung anderer Fisch lagen irgendwo dazwischen.

Was bedeutet dies? Maritime Omega-3-Fettsäuren könnten danach tatsächlich vor dem Auftreten und Fortschreiten von Hashimoto schützen. Fisch am Ende der Nahrungskette (wie Schwertfisch, Thunfisch oder Hai) weisen teilweise erhebliche toxische Belastungen auf (z.B. fettlösliche Gifte wie PCBs, DDT oder Schwermetalle wie Quecksilber, Blei, Kadmium). Möglicherweise fördern diese Umweltgifte das Auftreten von Autoimmunkrankheiten, jedenfalls von Hashimoto. Also: Omega-3-Fettsäuren ja, aber möglichst frei von Umweltgiften!
Schwertfische – schön, aber schadstoffbelastet – gehören ins Meer und nicht auf den Teller

Abb. 4: Schwertfische – schön, aber schadstoffbelastet – gehören ins Meer und nicht auf den Teller

 

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

 

Sieg der Demokratie!

oder

Politiker haben das Maß verloren – aber den Maaßen gerettet

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: Heute morgen stand es in der Zeitung: Die Chefs der Regierungsparteien haben die „Strafbeförderung“ von Herrn Maaßen aufgehoben. Der ehemalige oberste Verfassungsschützer wird nicht Staatssekretär mit 3000 Euro Gehaltszulage mehr im Monat (manche wären froh, wenn sie überhaupt soviel verdienen würden), sondern wird „nur“ zum Abteilungsleiter im Ministerium des Inneren bei gleichem Gehalt „degradiert“. So weich möchte andere auch mal fallen, die einen dicken Bock geschossen haben!

Aber immerhin haben die Politiker erkannt, dass sie eine Grenze überschritten haben. Sie haben sich offensichtlich schon so weit von „ihrem Volk“ entfernt, dass sie einfach nicht mehr wissen, was noch anständig ist.
Also ein Sieg der Demokratie? Mitnichten. Gerade einmal die gröbsten Auswirkungen einer absoluten Fehlentscheidung wurden hier korrigiert – eine bemitleidenswerte, opportunistische Entscheidung, die gerade einmal die aufgebrachten Massen etwas beruhigen soll. Hätten die Politiker wirklich ihren Fehler eingesehen, hätten sie sich aufrichtig beim Volk entschuldigt, der Verfassungsschützer wäre entlassen worden und der Innenminister wäre zurückgetreten. Das wäre anständig gewesen. Ein preußischer Beamter vor 100 Jahren hätte sich sogar erschossen – soweit wollen wir ja gar nicht gehen.

Aber die Politiker und ihre Fehlentscheidungen sind an der ganzen Geschichte noch nicht einmal das Schlimmste. Was mich aufregt ist, über welche Lappalie sich das Wahlvolk denn eigentlich aufregt. Ja, ich habe mich auch aufgeregt, aber das Ganze ist doch eine Marginalie der Weltgeschichte im Vergleich zu den Problemen, die uns wirklich zu massivem Protest und entschlossenem Handeln zwingen sollten.
In derselben Zeitung lese ich – allerdings unter ferner liefen, ist ja schließlich nicht so wichtig -, dass Wissenschaftler sich einig sind, dass die Klimaziele nicht mehr erreicht werden können. Auch wenn alle jetzt beschlossenen Maßnahmen zur Energiewende umgesetzt werden (und das ist ja keineswegs sicher, es gibt ja immer noch Leugner), wird die Temperatur weltweit um mehrere Grad steigen.

Ist uns denn gar nicht klar, was das bedeutet? Ganze Regionen der Welt werden nicht mehr bewohnbar sein, weil sie zu Steppen oder gar Wüsten werden. Andere Gebiete werden den Meeresfluten anheimfallen. Aber auch in unseren gemäßigten Breiten werden die heißen Sommer immer mehr zunehmen – nach den „kühlen Temperaturen des milden Sommers 2018“ werden wir uns noch einmal zurücksehnen. Schon bei den letzten Hitzewellen gab es auch in Mitteleuropa mehrere hundert Tote – ältere oder chronisch kranke Menschen. Die Unwetter werden auch bei uns zunehmen – mit Personen- und Sachschäden, die viele durch Stürme oder Starkregen erleiden werden. Die Malaria wird bei uns heimisch werden – gefolgt von weiteren Tropenkrankheiten, die wir noch gar nicht kennen. Wir werden mit Flüchtlingsströmen konfrontiert werden, die wahre Völkerwanderungen im Vergleich zur relativ vernachlässigbar kleinen Besucherwelle der letzten Jahre sein werden.

Regt sich darüber jemand auf? Nein, durchgeknallte Beamte und Politiker, die unfähig sind, mit diesem „Fliegendreck“ korrekt umzugehen erregen unsere Gemüter. Wo bleibt der Shitstorm in den sozialen Medien, die kritischen Kommentare von aufgeweckten Journalisten, die Massenproteste der Bevölkerung, die sich völlig berechtigt um ihre und die Zukunft ihrer Kinder und Enkel sorgen (sollten)?

Die Politik kann für die Maaßenaffäre sogar dankbar sein. Der Ärger der Menschen wird kanalisiert, wir werden abgelenkt und beschäftigen uns nicht mehr den drängenden Themen. Was ist denn wirklich wichtig für uns? Ob Deutschland den Zuschlag für die Fußballeuropameisterschaft 2024 bekommt? Wann wir das Problem der Schiedsrichterfehlentscheidungen und des Videoassistenten in den Griff bekommen? Wer Germanys next Topmodel wird?

Und was interessiert uns scheinbar gar nicht? Wo unser in den letzten Jahrzehnten angehäufter Atommüll hin soll – wir haben immer noch keine Lagerstätte für Plutonium, das giftigste Element der Welt, welches wir für mindestens 250.000 Jahre sicher lagern müssen, damit es die Gesundheit unserer Nachkommen nicht bedroht? Wie wir vielleicht doch noch die Klimakatastrophe in Grenzen halten können – aufhalten können wir sie eh nicht mehr? Wie wir unsere Sozial- und Gesundheitssysteme der nächsten Jahrzehnte aufrechterhalten sollen – Roboter bezahlen (bisher) keine Renten-, Arbeitslosen- und Krankenversicherungsbeiträge?

Ich möchte hier keineswegs schwarzmalen. Ich bin eigentlich von Grunde auf ein unverbesserlicher Optimist. Aber wenn ich sehe, worauf wir unsere Energien und unsere Emotionen konzentrieren, dann zweifele ich daran, dass wir die drängenden und wichtigen Probleme wirklich lösen können. Wenn wir es wirklich wollten und unsere Politiker durch Wahlen, Mails und andere Formen des Protestes dazu zwingen würden, hätten wir vielleicht noch eine Chance. Wann wenden wir uns vom Sturm im Wasserglas ab und widmen uns dem Hurricane, der vor der Tür steht?

Mit herzlichen Grüßen

Ihr Dr. med. Quintus Querulantius

P.S.: Ich schreibe diese Zeilen am Montag, d. 24.09.2018. Am Abend habe ich erfahren, dass sich wenigstens die Kanzlerin entschuldigt hat. Eine gemeinsame Pressekonferenz von Merkel, Nahles und Seehofer mit einem ehrlichen „mea culpa“ und Asche aufs Haupt wäre wünschenswert gewesen.

P.P.S.: Und eben lese ich auch noch die Titelschlagzeile der Zeitung mit den vier großen Buchstaben. Unser Jogi hat eine neue Frau geküsst. Na, sowas! Wir haben aber auch wirklich keine anderen Probleme in der Welt.

 

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Literaturliste – für alle, die wissenschaftlich tiefer bohren und die wissenschaftlichen Quellen erkunden möchten, unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed können Sie die Abstracts (in Englisch) nachlesen und manchmal auch Links zu den Originalarbeiten finden:

  1. spektrum.de, Lexikon der Psychologie: Normalität. Spektrum.de. 2000, abgerufen am 30. Zitiert nach https://de.wikipedia.org/wiki/Normalit%C3%A4t

Benvenga S, Vigo MT, Metro D, Granese R, Vita R, Le Donne M:Type of fish consumed and thyroid autoimmunity in pregnancy and postpartum. Endocrine. 2016 Apr;52(1):120-9. doi: 10.1007/s12020-015-0698-3. Epub 2015 Aug 26.