Leaky gut – Syndrom
Immer häufiger wird in komplementärmedizinischen Praxen die Diagnose „leaky gut“ gestellt. Das heißt übersetzt „leckender Darm“, manchmal wird es auch mit löchrigem Darm übersetzt. Das klingt schon ziemlich bedrohlich. Wer möchte schon gern ein „Loch im Darm haben“? Wenn tatsächlich ein Loch im Darm ist, weil er z.B. durch eine Verletzung perforiert wird, dann tritt Darminhalt in den Bauch und wir haben eine Peritonitis, eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung. Nun, so schlimm ist es beim leaky gut zum Glück nicht. Es stellt vielmehr eine Störung der Integrität der Darmschleimhaut dar, durch die größere Nahrungsmittelbestandteile als sonst üblich die Grenze zwischen Darm und Körperinneren durchdringen können.
Übersicht
1. Stuhluntersuchung
2. Durchlässige Darmwand
3. Therapie des Leaky-Gut-Syndroms
4. Buch – Alarm im Darm
5. Studie des Monats
Stuhluntersuchung
Wenn es im Stuhl Hinweise auf eine Undichtigkeit der Darmschleimhautbarriere gibt, so ist dies häufig an einem hohen Alpha-1-Antitrypsin im Stuhl erkennbar. Im Zweifel sollte also eine ausführliche Stuhluntersuchung in die Wege geleitet werden, die diesen Parameter beinhaltet. Achtung: Alpha-1-Antitrypsin stellt keine Routineuntersuchung beim Hausarzt dar. Sie sollte aber neben Darmflora, Verdauungsrückständen, Pankreas-Elastase, Gallensäuren und ggf. weiteren Werten Bestandteil einer ganzheitlichen Stuhluntersuchung sein, die etwa bei unerklärlichen Blähungen oder immer wiederkehrenden Durchfällen in die Wege geleitet werden sollte. Beim Hausarzt wird dies eher weniger vorgeschlagen, da diese Untersuchung mit mehr als 200 € nicht eben preiswert ist und der Hausarzt in seiner Aus- und Weiterbildung in der Regel auch nichts davon erfahren hat. Leider führen Gastroenterologen diese Untersuchungen auch kaum durch.
Durchlässige Darmwand
Durch die Belastung des Körpers mit Fremdeiweißen können sich dann leichter Nahrungsmittelallergien entwickeln, die wiederum zu einer gestörten Fettverdauung und damit zu Blähungen führen. Der Darm hat es schon schwer. Er soll nämlich sehr widersprüchliche Aufgaben erfüllen. Einerseits soll er unterschiedlichste Nährstoffe wie Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Mineralstoffe und Vitamine möglichst gut aufnehmen. Andererseits soll er uns aber auch vor schädlichen Substanzen, Bakterien, Viren, Pilzen und zu großen Nahrungsmolekülen schützen. Werden letztere bei einer „undichten Schleimhaut“ vermehrt aufgenommen und zu Immunreaktionen im Körper führen, so könnte dies Allergien triggern. Das vermehrte Auftreten von Nahrungsmittelallergien wird auch auf das leaky gut zurückgeführt. Als Ursachen für einen leaky gut werden heute die Zufuhr von Zucker, Weißmehlprodukten, Milchprodukten, Candida-Pilze, Parasiten, Stress und Darmentzündungen diskutiert. Auch Medikamente wie Antibiotika, NSAR (Rheumamittel wie Diclofenac und Ibuprofen), Steroide (Kortisonpräparate) und Chemotherapie bei Krebs sollen einen leaky gut verursachen. Besonders fatal ist, dass Nahrungsmittelallergien die Darmschleimhaut durchlässiger machen können, dadurch aber wieder neue Nahrungsmittelallergien gefördert werden – ein blöder Teufelskreis.
Der Darm – hier mit Magen, Dünn- und Dickdarm – ist unersetzlich für unsere Nährstoffzufuhr, aber leider auch Sitz zahlreicher Krankheiten.
Therapie des Leaky-Gut-Syndroms
Wurde nun im Rahmen einer ausführlichen Stuhldiagnostik der Hinweis auf ein leaky gut gefunden, so sollten Sie eine Therapie in Angriff nehmen, denn bei einer undichten Schleimhaut können größere Eiweißmoleküle die Barriere durchdringen, die dann die Entstehung von Allergien begünstigen können. Daher sollten Sie sich mit einem nachgewiesenen Leaky-Gut-Syndrom unbedingt behandeln lassen. Hierzu kann eine – manchmal nur vorübergehende – Gabe von naturheilkundlichen Präparaten wie:
- „guten Darmbakterien“, z.B. ein gutes Probiotikum
- Zink (10-30 mg) zur Abheilung und Regeneration der Darmschleimhaut
- Glutamin 3×1 g
täglich sinnvoll sein. Wenn die Beschwerden subjektiv weniger werden, sind Sie auf dem richtigen Weg. Wenn Sie es genau wissen wollen, wird in einer Stuhluntersuchung noch einmal das Alpha-1-Antitrypsin gemessen.
Buch – Alarm im Darm
Der Beitrag enthält Auszüge aus meinem Buch „Alarm im Darm – Mythos Reizdarm, was Ihrer Verdauung wirklich hilft“, welches vor wenigen Tagen in 3. völlig neu überarbeiteter Auflage erschienen ist.
Studie des Monats
25.436 gesunde, erwachsene Engländer zwischen 45 und 74 Jahren füllten einen siebentägigen Ernährungsfragebogen aus. Daraus wurde computergestützt die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren in der Nahrung berechnet. Es wurde beobachtet, wie hoch das Risiko für eine neu aufgetretene Colitis ulcerosa in Abhängigkeit von der Fettsäurezufuhr in den nächsten 4 Jahren war. Die Colitis ulcerosa ist eine schwere Autoimmunkrankheit (sozusagen das „Rheuma des Dickdarmes“) mit teilweise mehr als 20, meist blutigen Stühlen pro Tag und einem langfristig deutlich erhöhtem Darmkrebsrisiko.
Die Probanden wurden nach ihrer Fettsäurezufuhr in das niedrigste, mittlere und höchste Drittel eingeteilt. Dann wurde für neu aufgetretene Colitisfälle errechnet wie hoch das Risiko für eine Neuerkrankung war. Für die Omega-3-Fettsäure EPA betrug das Risiko 0,53, für DHA sogar nur 0,43. Dies bedeutet, dass bei einer guten Versorgung mit maritimen Omega-3-Fettsäuren das Risiko für eine neue Colitis ulcerosa in etwa halbiert ist. Omega-3-Fettsäuren schützen also nicht nur vor Rheuma, Asthma und vielen anderen Autoimmunkrankheiten, sondern auch vor der gefürchteten, die Lebensqualität beeinträchtigenden und nicht selten sogar das Leben verkürzenden Colitis ulcerosa (1, Quelle siehe unten).
Literaturliste – für alle, die wissenschaftlich tiefer bohren und die wissenschaftlichen Quellen erkunden möchten, unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed können Sie die Abstracts (in Englisch) nachlesen und manchmal auch Links zu den Originalarbeiten finden:
- John S, Luben R, Shrestha SS, Welch A, Khaw KT, Hart AR: Dietary n-3 polyunsaturated fatty acids and the aetiology of ulcerative colitis: a UK prospective cohort study. Eur J Gastroenterol Hepatol. 2010 May;22(5):602-6. doi: 10.1097/MEG.0b013e3283352d05.