Allergische Reaktionen

Es ist Frühling – zumindest kalendarisch, es schneit gerade, als ich diese Zeilen schreibe. Mit dem Frühling naht aber wieder die Heuschnupfenzeit, wenn sie für den einen oder anderen nicht schon da ist. Heuschnupfen, aber auch andere Allergien, z.B. auf Lebensmittel, nehmen immer mehr zu. Kinder leiden immer häufiger unter den so genannten atopischen Erkrankungen Neurodermitis, Heuschnupfen/Lebensmittelallergien und Asthma, die alle auf allergische Überempfindlichkeitsreaktionen auf ansonsten harmlose Substanzen aus der Umwelt oder in der Nahrung zurückzuführen sind. Eine weltweite Studie an einer Million (!) Kinder aus 99 Ländern fand einen klaren statistischen Zusammenhang zur Ernährung: Je mehr Fastfood gegessen wurde, umso höher war das Risiko für atopische Erkrankungen (1).

Abb. 1: Normalerweise harmlose Pollen reizen bei entsprechender allergischer Disposition Nase und/oder Lungen

Einer der Bestandteile der Nahrung, die vor Allergien zu schützen vermögen, sind die Omega-3-Fettsäuren aus maritimen Quellen. Die beste Datenlage gibt es hier zur Versorgung in der Schwangerschaft und dem Auftreten oder Nicht-Auftreten atopischer Krankheiten in der Kindheit.

Omega-3 aus dem Meer in der Schwangerschaft schützt das Kind vor Allergien

Wenn die Mutter in der Schwangerschaft einen höheren Omega-6/3-Quotienten in der Nahrung aufweist, also relativ viel Omega-6-Fettsäuren aus tierischen Produkten oder linolsäurereichen Pflanzenölen im Vergleich zu Omega-3-Fettsäuren aus Fischen, Algen oder Leinöl aufweist, ist das Risiko für einen allergischen Schnupfen im Alter von 5 Jahren um 37 %, also mehr als ein Drittel erhöht (2).

Eine solche epidemiologische Studie (statistischer Vergleich zwischen Risiko- bzw. Schutzfaktoren und dem Auftreten von Krankheiten) ist ein Hinweis auf einen ursächlichen Zusammenhang. Bewiesen werden kann dieser aber nur durch eine Interventionsstudie. Ändert man einen Faktor, ändert sich dann auch die Krankheitshäufigkeit? 736 Schwangere erhielten deswegen ab der 24. Schwangerschaftswoche 2,4 g Omega-3 (etwas mehr als ein EL Fischöl) oder Olivenöl. Das Risiko lag bei 23,7 % in der Olivenölgruppe, im Alter von 3 Jahren unter Asthma zu leiden, das war immerhin jedes 4. Kind. In der Fischölgruppe litten hingegen nur 16,9 % an Asthma, also nur etwa jedes 6. Kind. Das entspricht einer relativen Minderung von Asthma um immerhin 30 %. Lagen die Blutspiegel für Omega-3 bei der Mutter sehr niedrig, waren die Unterschiede noch deutlicher: 34,1 % gegen 17,5 %. Bei schlecht mit Omega-3 versorgten Müttern, die Omega-3 in der Schwangerschaft erhalten, kann das Risiko also sogar halbiert werden (3). Man kann daraus folgern, dass jede werdende Mutter in der Schwangerschaft Omega-3 nehmen sollte, um das Risiko für Asthma beim Kind zu minimieren. Ist die Mutter jedoch durch ihre eigene Ernährung schlecht mit Omega-3 versorgt, dann muss sie es nehmen.

Noch beweiskräftiger als eine Studie ist heute eine Meta-Analyse, also eine Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Studien zu einer bestimmten Fragestellung. In einer solchen Meta-Analyse fand sich das Risiko im ersten Lebensjahr für ein Ekzem und fast 40 % und für einen allergischen Schnupfen um fast 50 % reduziert, wenn viel Fisch in der Schwangerschaft verzehrt wurde (4).

Viel Fisch bringt allerdings auch Schwermetallbelastungen (z.B. Quecksilber) und fettlösliche Toxine (z.B. PCB, DDT, Dioxine, Furane), was wir dem Ungeborenen dann doch nicht in größeren Mengen anbieten möchten. Qualitativ hochwertige Fisch- oder Algenöle sind hier unbelastet und können unbedenklich von der Schwangeren genommen werden. Auch hier gibt es mittlerweile sogar eine Meta-Analyse über den Nutzen einer solchen Prävention mit Omega-3. In einer solchen Meta-Analyse mit 10 prospektiven Kohortenstudien und 5 randomisierten klinischen Studien fanden die Forscher insgesamt deutlich weniger atopische Erscheinungen innerhalb des ersten Lebensjahres, wenn in der Schwangerschaft Omega-3 genommen wurde (5):

Abb. 2: Im Prick-Hauttest weniger allergische Reaktionen bei guter Omega-3-Versorgung

Es ließ sich also eine verringerte Neigung von allergischen Erkrankungen bzw. Sensibilisierungen um etwa ein Drittel bis die Hälfte nachweisen. Bei der heutigen Bedeutung von allergischen Erkrankungen ist diese Minderung durch nur einen einzigen Nährstoff durchaus als wichtiger Baustein in der Vorbeugung von Allergien anzusehen.

Zum Schluss dieses Abschnitts über Omega-3 in der Schwangerschaft und Atopie noch drei interessante Einzelstudien – eine „halb negative“ Studie und zwei Studien bei besonderen Risikogruppen.

Die Mütter von 706 Kindern erhielten ab der 21. Schwangerschaftswoche entweder Fischöl oder ein Placebo. Es wurde das Auftreten allergischer Reaktionen innerhalb des ersten Lebensjahres gemessen. Bei IgE-vermittelten Allergien fanden die Forscher keinen statistisch signifikanten Unterschied. Hierzu ist allerdings anzumerken, dass die Rate in der Omega-Gruppe 9 %, in der Placebogruppe jedoch 13 % betrug. Das Risiko war also immerhin etwa um ein Drittel reduziert, der Unterschied erreichte aber nicht ganz das Signifikanzniveau. Beim atopischen Ekzem waren die Risiken 7 % bzw. 12 %, wobei auch hier das Signifikanzniveau knapp verfehlt wurde. Immerhin bei Sensibilisierungen gegen Ei gab es mit 9 % zu 15 % ein statistisch signfikantes Ergebnis (6). Wie sind diese doch vorhandenen, aber im Verhältnis zu anderen Studien nicht so deutlichen Ergebnisse zu erklären? In dieser Studie wurden nur 900 mg Omega-3-Fettsäuren täglich eingesetzt, in den anderen Studien aber meist 2-3 g. Es ist natürlich etwas spekulativ, aber ich wage zu behaupten, dass mit einer höheren Dosis klarere Ergebnisse herausgekommen wären. In der Omega-3-Therapie darf man nicht kleckern, sondern muss man klotzen. Eine Dosis von 2 g entspricht 15 konventionellen Fischölkapseln mit 500 mg oder einem EL Fischöl oder einem TL Algenöl.

In der nächsten Studie erhielten 657 Frühchen (Schwangerschaftsdauer < 33 Wochen) eine omega-3-Diät (Stillen mit Muttermilch, die Mutter sollte dabei selbst entweder Fischöl oder Sojaöl nehmen). Frühchen sind besonders schlecht mit Omega-3 versorgt, da die absolut größte Menge an Omega-3 im letzten Trimenon von der Mutter auf das Kind übertragen wird. Im Alter von 18 Monaten wiesen alle Kinder in der Omega-3-Gruppe 59 % weniger Heuschnupfen auf. Bei Jungen war der Effekt mit 85 % weniger sogar noch deutlicher (7).

145 Schwangere mit einem erhöhten Risiko für ein allergisches Kind erhielten ab der 25. Schwangerschaftswoche sowie 3,5 Monate nach der Geburt 2,7 g Omega-3-Fettsäuren oder Placebo. Während es in der Placebo-Gruppe nach 2 Jahren 30 % IgE-vermittelte Krankheiten gab, waren dies in der Omega-Gruppe nur 13 %. Innerhalb der Omega-3-Gurppe ließ sich darüber hinaus noch nachweisen, dass je höher die Omega-3-Spiegel bei Mutter und Kind lagen, umso geringer das Risiko für eine allergische Reaktion war (8). Wir sehen auch hier wieder: Je höher das Risiko desto höher der Nutzen von Omega-3 und je besser die Versorgung mit Omega-3 desto höher der Nutzen.

Bei Kindern ist die Sache in der Prävention also klar und eindeutig, was den Schutzeffekt von Omega-3-Fettsäuren bei allergischen Erkrankungen angeht. Doch was ist mit Erwachsenen? 388 erwachsene Deutsche mussten einen ausführlichen Ernährungsfragebogen ausfüllen. Dabei fand sich, dass die Wahrscheinlichkeit für einen positiven RAST-Test > oder = 2 umso geringer war, je höher der Fischkonsum lag. Das Risiko bei einem hohen Fischkonsum für eine solche Allergiereaktion lag bei nur 20 %. Berechnete man die DHA-Zufuhr, so war das Risiko für eine allergische Reaktion um etwa ¾ geringer – dies allerdings merkwürdigerweise nur bei Frauen, nicht bei Männern (9).

Abb. 3: Asthma – immer mehr Kinder leiden unter dieser vermeidbaren Krankheit

Asthma – wenn einem buchstäblich die Luft wegbleibt

Kommen wir zum Asthma, einer Erkrankung mit einer mitunter lebensbedrohlichen Verengung der Bronchien. Während Neurodermitis und Heuschnupfen „nur“ lästig sind, kann Asthma tödlich sein. Nach Angaben der WHO starben 2010 weltweit über 250.000 Menschen daran. Kann hier Omega-3 auch etwas bringen?

4162 Amerikaner zwischen 18 und 30 Jahren mit Asthma in der Familiengeschichte mussten einen Ernährungsfragebogen 1985 und 2005 ausfüllen. Im Untersuchungszeitraum kam es zu 446 neuen Asthmafällen. Das statistische Risiko für das Auftreten von Asthma wurde mit dem Omega-3-Gehalt in der Nahrung verglichen. Das Risiko in dem Fünftel mit der besten Omega-3-Versorgung betrug nur 0,46, d.h. es war mehr als halbiert (10). Dieses Fünftel nahm im Durchschnitt aber auch nur etwa 0,4 g Omega-3 täglich zu sich. Dies ist zwar mehr als der Durchschnitt, der etwa bei 0,1-0,2 g liegt, aber deutlich unterhalb der vermutlich noch besser schützenden Dosis von mind. 2 g.

38 Patienten mit einem allergischen Asthma (Gräserpollen) wurden mit 19 gesunden Probanden untersucht. Die Asthmatiker wiesen niedrigere Omega-3-Werte als die Gesunden auf. Auf eine inhalative Provikation mit Gräserpollen reagierten die Asthmatiker mit schlechter Omega-3-Versorgung mit einem Abfall des FEV1 (Volumen, welches in einer Sekunde ausgeatmet werden kann) von 23 %, diejenigen mit guter Versorgung jedoch nur mit einem Abfall von 16 % (11).

Abb. 4: Asthmatiker haben eine deutlich schlechtere Omega-3-Versorgung

Lebensmittelallergien – wenn Essen krank macht

Zugegeben: Hier habe ich den medizinischen Datenbanken recht wenig gefunden, aber immerhin einen Tierversuch. In diesem Experiment erhielten Mäuse entweder eine Diät, die reich an Omega-6-reichem Sojaöl oder reich an EPA oder DHA war. Dann erfolgte eine Sensibilisierung gegen Erdnuss oder Molke. Die allergische Hautreaktion auf Erdnuss war bei den „DHA-Mäusen“ nur etwa halb so stark wie in der Omega-6-Gruppe, die „EPA-Mäuse“ lagen in der Mitte dazwischen. Die Hautreaktion gegenüber Molke war bei beiden Omega-3-Mäuse-Gruppen etwa ein Drittel niedriger ausgeprägt. Im Tierversuch wirken EPA und DHA also schützend bei Nahrungsmittelallergien, wobei DHA ein klein wenig besser abschnitt (12).

Abb. 5: Erdnüsse – weniger allergische Reaktionen durch Omega-3

Kasuistik – ein Fall sagt manchmal mehr als tausend Studien

Studien mögen kognitiv überzeugen, ein guter Fallbricht spricht aber auch emotional an. Vor einigen Jahren behandelte ich eine Patientin mit Rheuma. In der Labordiagnostik lag – wie praktisch immer bei diesen Patienten – ein deutlicher Mangel an Vitamin D und an Omega-3-Fettsäuren vor. Unter der Behandlung mit diesen Stoffen wurde das Rheuma langsam besser. Nach einem ¾ Jahr (solange dauert es meist bei Rheuma) war es geschafft: Die Patientin hatte überhaupt keine Rheumabeschwerden mehr und konnte ihr Kortison nach und nach völlig absetzen. Das war aber nicht das Überraschende. Beim Hinausgehen drehte sich die Patientin noch einmal um und sagte: „Ach ja, das habe ich ganz vergessen, Ihnen zu sagen: Ich bin ja das erste Mal im letzten Herbst gekommen. Ich leide im Frühjahr immer stark unter Heuschnupfen. Da Herbst war und ich wegen des Rheumas gekommen war, habe ich das gar nicht erwähnt. Aber jetzt ist Sommer und ich habe dieses Jahr noch gar keinen Heuschnupfen gehabt. Kann das denn auch vom Vitamin D und vom Omega-3 kommen?“ Ja, kann es natürlich. Was an diesem Beispiel besonders schön ist: Wir haben einen Behandlungserfolg bei einer Krankheit gesehen, die wir gar nicht behandelt haben – jedenfalls nicht bewusst. Ich wusste nicht, dass sie Heuschnupfen hat. Ich hätte ihr dann noch einiges andere empfohlen, was auch noch gut dabei hilft. Sie wusste nicht, dass Vitamin D und Omega-3 auch bei Allergien helfen. Wir können hier den so genannten Placebo-Effekt als Ursache für die „Heilung“ also nicht heranziehen. Der Erfolg ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der (in diesem Fall unbeabsichtigten) Therapie mit wichtigen nicht nur anti-entzündlichen, sondern auch anti-allergischen Nährstoffen zuzuschreiben.

Studie des Monats

Lamy O et al.: Severe rebound-associated vertebral fractures after denusomab discontinuation: nine clinical case reports. J Clin Endocrinol Metab 2016 Oct 12:jc20163170.

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27732330

Nach Absetzen von Denusomab (Prolia®) erlitten 9 Frauen insgesamt 50 (!) Frakturen. Zu den Frakturen kam es spontan und überraschend kurze Zeit nach dem Absetzen. Die Autoren folgern daraus: Die Injektionen sollen sorgfältig alle 6 Monate durchgeführt werden – aber nicht unendlich. Nach dem Absetzen sollte ein gutes und engmaschiges Monitoring mit Knochendichtemessungen und Markern des Knochenumbaus durchgeführt werden (Kommentar hierzu siehe unten).

Buchtipp des Monats

Omega-3 – Öl des Lebens für mehr Gesundheit

Dieses Buch ist im Januar 2018 erschienen und kostet 19,90 € bzw. 24,90 CHF.

Omega-3 – Öl des Lebens für mehr Gesundheit

Fettsäuren zum vorbeugen und heilen: Zivilisationskrankheiten vorbeugen l Gut für die Psyche l Stärkt Herz und Kreislauf

Hier habe ich all mein Wissen zu Omega-3-Fettsäuren zusammengefasst. Es geht um die Grundlagen des Fettsäurestoffwechsels, Indikationen für den Einsatz von Omega-3-Fettsäuren in Prophylaxe und Therapie und praktische Tipps zum Umsetzen. Nach Lektüre dieses Buches wissen Sie mehr über das Thema als die meisten Ärzte und Ernährungsberater – versprochen! Sie wissen aber vor allem, was Sie selbst tun können, um mit den richtigen Omega-3-Fettsäuren in der richtigen Dosis Ihre Gesundheit zu erhalten oder wiederherzustellen zu helfen. Nun aber ran an die Fische! Hier können Sie das Buch erwerben.

Weitere Antworten zu Fragen zu Omega-3 finden Sie auf: https://www.dr-schmiedel.de/faqs-buch/

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Das geht auf die Knochen – Absetzen eines Osteoporosemittels führt zu mehr Knochenbrüchen

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: So, ich war im Urlaub nicht ganz untätig und konnte mich trotz (oder wegen?) einiger Mojitos mal wieder so richtig aufregen. Und zwar wegen obiger Studie über das Denosumab bzw. die Folgen dessen Absetzens.

„Denosumab ist ein IgG2-anti-RANKL-Antikörper, der mit sehr hoher Affinität an RANKL bindet und so dessen Interaktion mit RANK hemmt. … RANKL bindet an seinen auf der Oberfläche von Präosteoklasten lokalisierten Rezeptor RANK, einem Mitglied der Tumornekrosefaktor-Rezeptor-Superfamilie, wandelt die Vorläuferzellen in Osteoklasten um und erhöht damit die Aktivität und das Überleben der für die Knochenresorption verantwortlichen Zellen.“ Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Denosumab

Haben Sie das geschnallt? Ok, man muss heute in der Medizin nicht mehr alles verstehen. Was man aber wissen kann: Osteoblasten bauen Knochen auf. Osteoklasten bauen Knochen ab. Überwiegt die Aktivität der Osteoklasten die der Osteoblasten, verlieren wir Knochenmasse. Es kommt zur Osteoporose. Prolia® (Denosumab) greift genau hier ein, verbessert die Knochendichte und vermindert auch das Frakturrisiko. So weit, so gut.

  • dass die Therapie mit mehr als 300 Euro pro Spritze nicht ganz billig ist
  • dass bisher kein Vorteil gegenüber den herkömmlichen Biphosphonaten nachgewiesen werden konnte
  • dass das Risiko von Infektionen und von Krebs um mehr als 10 % zunimmt
  • dass Ekzeme und Hautentzündungen gehäuft auftreten
  • dass es auch schon tödliche Hypokalzämien gegeben hat, wovor die Firma Amgen 2012 in einem Rote Hand-Brief an Ärzte warnen musste
  • dass das arznei-telegramm keine Indikation für den Einsatz dieses teuren Mittels sieht.
Alles geschenkt. Aber mit der obigen Studie wird dem Fass doch der Boden ausgeschlagen. Mal ehrlich: Was sind denn das für Drogen, die zwar helfen, solange man sie nimmt, aber es wird schlimmer als je zuvor, wenn man sie absetzt? Bisher ist mir sowas nur aus der Drogenszene bei Heroin und Crystal Meth bekannt. Eigentlich müsste man davor warnen, mit der Einnahme solcher Drogen – in jedem Sinne des Wortes – überhaupt zu beginnen. Würden Sie ein solches Medikament einnehmen, welches obige Nebenwirkungen aufweist und was Sie lebenslang einnehmen müssen, weil sonst das Gegenteil eintritt und das bei einer Krankheit, die mit der Zufuhr der richtigen Nährstoffe in der richtigen Menge und der richtigen Lebensweise sehr gut behandelbar ist?
Abb. 7: Osteoporose – mit Kanonen auf Spatzen schießen oder doch besser ganzheitlich behandeln

Was empfehlen jedoch Endokrinologen? Und da gibt es einen besonders renommierten Endokrinologen, der in Presse, Fernsehen und Internet nicht müde wird, gegen das gefährliche Vitamin D zu wettern (nein, das ist jetzt kein Scherz). Der zieht daraus folgende Schlüsse: Der vom Hersteller vorgesehene Abstand zwischen den Injektionen solle korrekt eingehalten werden, damit keine Lücken entstehen. Vielleicht ein Warnhinweis, erst gar nicht mit einer solch fragwürdigen Therapie zu beginnen? Fehlanzeige.

Kann es vielleicht daran liegen, dass 2014 mit Denosumab ein weltweiter Jahresumsatz von mehr als 3 Milliarden Euro erzielt wurde. Ich schreibe das mal aus: 3.000.000.000 €. Das entspricht dem Bruttoinlandsprodukt von ganz Burundi (auch kein Witz). Ich will jetzt nicht behaupten, dass Endokrinologen oder andere Ärzte direkt von der Pharma-Industrie bestochen werden. Aber selbst die Apotheker-Zeitung weist in einem Beitrag auf Verflechtungen zwischen Pharma-Industrie, Wissenschaftlern und Ärzten hin, die mafiöse Strukturen aufweisen:

https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2015/02/06/pharmaindustrie-schlimmer-als-die-mafia

Nebenbei – da fällt mir ein Witz ein (leider bleibt einem das Lachen im Halse stecken): Unterhalten sich zwei Mafiabosse. Sagt der eine: „Hast Du das schon gehört? Man hat uns mit der Pharma-Industrie verglichen.“ Erwidert der andere: „Also das ist ja wirklich eine bodenlose Frechheit. Wir bringen schließlich nicht so viele Menschen um.“ Auch dies ist kein Witz: Jährlich sterben in Deutschland zwischen 16.000 und 58.000 Menschen an Arzneimittelnebenwirkungen. Warum so widersprüchliche Schätzungen? Während jede Masernerkrankung, ja sogar wenn nur der bloße Verdacht besteht, gemeldet werden muss, gibt es keine Meldepflicht bei schweren Arzneimittelnebenwirkungen, noch nicht einmal im Todesfall. Wir haben einfach keine genauen Daten über eine der häufigsten Todesursachen überhaupt. Seltsam oder? Haben vielleicht einige Interessengruppen gar kein Interesse daran, dass diese Zahlen erforscht und veröffentlicht werden?

Unabhängig von der Einnahme von Prolia® oder anderen Osteoporosemitteln würde ich den Vitamin D-Spiegel unbedingt optimieren (ca. 150 nmol/l). Nach 3 Monaten Kontrolle, bis der Wert optimal ist. Vitamin K2 gebe ich dann, wenn ucMGP erhöht ist. Ich bin ja kein großer Vitamin K2-Freund, aber bei Osteoporose gebe ich es – wie gesagt, aber nur dann, wenn ucMGP als funktioneller Marker für einen Vitamin K2-Mangel darauf hindeutet. Omega-3-Fettsäuren sollten auch hier gemessen werden, da es auch Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen wenig Omega-3 und Osteoporose gibt. Der AA/EPA-Quotient sollte bei etwa 2,5 liegen. Auch hier Kontrolle nach Therapie nach 3 Monaten. Leider gibt es keine Vergleichsstudie zwischen Prolia® und einer wirklich optimalen Nährstoffversorgung. Ich kann es nicht beweisen, aber ich glaube, dass die optimale Nährstofftherapie bei viel weniger Nebenwirkungen nicht schlechter abschneiden würde. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass eine optimale Nährstoffversorgung das Ansteigen der Frakturen nach Absetzen von Prolia® zumindest vermindern würde. Ich kenne kaum einen Osteoporosepatienten – ob mit oder ohne Medikamente -, der mit den für die Knochen wichtigen Nährstoffen auch nur halbwegs gut versorgt ist. Ich kann meine spekulativen Behauptungen nicht belegen, da es hierfür keine Studien gibt. Leider hat niemand ein Interesse, solche Studien zu finanzieren, da mit Vitamin D, K2 und Omega-3 viel zu wenig Geld zu verdienen ist.

Das ist überhaupt eine Crux im heutigen Gesundheitssystem: Es werden fast ausschließlich teure Therapien erforscht, an preiswerten oder kostenlosen Verfahren besteht kaum Interesse, da hiermit kein oder zu wenig Profit erwirtschaftet werden kann. Eine Non-Profit-Forschung existiert bei uns praktisch nicht – im Gegensatz zu den USA, wo jährlich 125 Mio. $ zur Erforschung alternativ/komplementärer Verfahren staatlich gefördert ausgegeben werden.

Wenn Sie sich jetzt auch etwas geärgert haben, dann bauen Sie Ihren Stress doch einfach mit einem kleinen Walking oder mit Jogging ab. Achtung, es kann zu folgender Nebenwirkung kommen: Walking und Jogging schützen den Knochen und Sie brauchen später mal kein Prolia®!

Herzliche Grüße aus Kuba, viva la revolucion (in der Medizin scheinen wir jedenfalls eine zu brauchen), nebenbei: Wussten Sie, dass Che Guevara in seinem prä-revolutionären Beruf Arzt war?

Dr. med. Quintus Querulantius

P.S.: Das passende Zitat hierzu: Christian Kasperk, Universitätsklinikum Heidelberg, in: Die Welt, Freitag, 18.März 2016, Seite 20, „Was neu und teuer ist, muss nicht besser sein. Bei vielen neuen Wirkstoffen haben wir gar keine Ahnung, ob wir nicht damit auch Unfug machen.“ Im Artikel geht es um den Signalstoff Sclerostin, der in den Knochenstoffwechsel eingreift und ein neuer hoffnungsvoller Ansatz im Kampf gegen Osteoporose darstellt. Leider fördert die Therapie Entzündungen, was der ältere Mensch gar nicht gebrauchen kann. Ich fürchte, was Kasperk zu dem neuen Knochenmittel gesagt hat, trifft auch für andere Medikamente zu.

aufgeschnappt und kommentiert – aufgeschnappt und kommentiert

Literaturliste – für alle, die wissenschaftlich tiefer bohren und die wissenschaftlichen Quellen erkunden möchten, unter http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed können Sie die Abstracts (in Englisch) nachlesen und manchmal auch Links zu den Originalarbeiten finden:

(1) P Ellwood, MI Asher, L García-Marcos, H Williams, U Keil, C Robertson, G Nagel: Do fast foods cause asthma, rhinoconjunctivitis and eczema? Global findings from the International Study of Asthma and Allergies in Childhood (ISAAC) Phase Three. Thorax doi:10.1136/thoraxjnl-2012-202285
(2) Nwaru BI, Erkkola M, Lumia M et al: Maternal intake of fatty acids during pregnancy and allergies in the offspring. Br J Nutr. 2012 Aug;108(4):720-32. doi: 10.1017/S0007114511005940. Epub 2011 Nov 9.
(3) Bisgaard H, Stokholm J, Chawes BL et al: Fish Oil–Derived Fatty Acids in Pregnancy and Wheeze and Asthma in Offspring. N Engl J Med. 2016 Dec 29;375(26):2530-9. doi: 10.1056/NEJMoa1503734.
(4) Zhang GO, Liu B, Luo CQ; Fish intake during pregnancy or infancy and allergic outcomes in children: A systematic review and meta-analysis. Pedriatic Allergy and Immunology, 2017 Mar;28(2):152-161. doi: 10.1111/pai.12648. Epub 2016 Oct 28.
(5) Best KP, Gold M, Kennedy D et al: Omega-3 long-chain PUFA intake during pregnancy and allergic disease outcomes in the offspring: a systematic review and meta-analysis of observational studies and randomized controlled trials. Am J Clin Nutr. 2016 Jan;103(1):128-43. doi: 10.3945/ajcn.115.111104. Epub 2015 Dec 16.
(6) Palmer DJ, Sullivan T, Gold MS et al: Effect of n-3 long chain polyunsaturated fatty acid supplementation in pregnancy on infants’ allergies in first year of life: randomised controlled trial. BMJ. 2012 Jan 30;344:e184. doi: 10.1136/bmj.e184.
(7) Manley BJ, Makrides M, Collins CT et al: High-dose docosahexaenoic acid supplementation of preterm infants: respiratory and allergy outcomes. Pediatrics. 2011 Jul;128(1):e71-7. doi: 10.1542/peds.2010-2405. Epub 2011 Jun 27.
(8) Furuhjelm C, Warstedt K, Fagerås M et al: Allergic disease in infants up to 2 years of age in relation to plasma omega-3 fatty acids and maternal fish oil supplementation in pregnancy and lactation. Pediatr Allergy Immunol. 2011 Aug;22(5):505-14. doi: 10.1111/j.1399-3038.2010.01096.x. Epub 2011 Feb 20.
(9) Schnappinger M, Sausenthaler S, Linseisen J et al: Fish consumption, allergic sensitisation and allergic diseases in adults. Ann Nutr Metab. 2009;54(1):67-74. doi: 10.1159/000207357. Epub 2009 Mar 6.
(10) Li J, Xun P, Zamora D et al: Intakes of long-chain omega-3 (n-3) PUFAs and fish in relation to incidence of asthma among American young adults: the CARDIA study. Am J Clin Nutr. 2013 Jan;97(1):173-8. doi: 10.3945/ajcn.112.041145. Epub 2012 Nov 28.
(11) Kitz R, Rose MA, Schubert R et al: Omega-3 polyunsaturated fatty acids and bronchial inflammation in grass pollen allergy after allergen challenge. Respir Med. 2010 Dec;104(12):1793-8. doi: 10.1016/j.rmed.2010.06.019. Epub 2010 Jul 15.