„Gut schläft, wer gar nicht merkt, dass er schlecht schläft.“
Publilius Syrus, ca. 90-40 v. Chr., römischer Aphoristiker

Was etwas lustig klingt, hat tatsächlich einen ernsten Hintergrund. Eigentlich sollten wir den Schlaf gar nicht bemerken. Er sollte für uns eine Selbstverständlichkeit darstellen, dem wir gar keine besondere Beachtung schenken müssen. Je mehr wir über den Schlaf nachdenken, desto mehr Probleme haben wir damit. Man könnte das Zitat auch umkehren: „Schlecht schläft, wer ständig merkt, dass er schlecht schläft.“

Aber im Ernst: Aus meiner Zeit in der Schlafforschung (Untersuchung des Schlafverhaltens bei Wechselschicht) weiß ich, dass Schlafgestörte oft sagen, dass sie überhaupt nicht geschlafen haben. Anhand der Hirnstrommessungen konnte ich aber sehr gut sehen, dass sie – zumindest eine Zeitlang – geschlafen haben. Dies bedeutet keineswegs, dass Schlafgestörte lügen oder simulieren. Vielmehr ist es wohl so, dass sie gar nicht merken, dass sie doch eine Weile geschlafen haben oder dass sie träumen, wach zu sein.

In aufwändigen Untersuchungen im Schlaflabor könnte man das herausbekommen. Es gibt mittlerweile aber auch Armbanduhren (Bio-Tracker), die zusammen mit einer App auf dem Smartphone die Schlaflänge und verschiedene Schlafphasen durchaus annähernd messen können. Vielleicht ist das aber alles gar nicht nötig, wenn man mit anderen schlaffördernden Maßnahmen erfolgreich ist. Eine davon kann das „Schlafhormon“ Melatonin sein, über welches ich heute ausführlicher berichten möchte.

Melatonin – das Schlafhormon

Melatonin ist das so genannte Schlafhormon. Es wird in der Epiphyse (Zirbeldrüse) im Zwischenhirn aus Serotonin gebildet (siehe http://www.dr-schmiedel.de/serotonin/). Die wichtigste Wirkung von Melatonin ist die Anregung des Schlafes und die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus. Aber es kann noch viel mehr.

Das „Glückshormon“ Serotonin wird zum „Schlafhormon“ Melatonin

Abb. 1: Das „Glückshormon“ Serotonin wird zum „Schlafhormon“ Melatonin

Aus der Aminosäure Tryptophan (Bestandteil in jedem Eiweiß) wird das „Glückshormon“ Serotonin gebildet. Serotonin wird besonders bei Helligkeit synthetisiert. Deshalb macht uns die Sonne glücklich und Lampen mit 10.000 Lux Lichtstärke helfen bei manchen Depressionen weiter. Bei Dunkelheit wird dann das Serotonin in das Melatonin umgewandelt. Man könnte also Serotonin als das „Tag-Hormon“ und Melatonin als das „Nacht-Hormon“ bezeichnen. Das Maximum der Melatonin-Synthese wird mitten in der Nacht erreicht. Je nach chronobiologischem Typ (Morgen/Abendtyp bzw. Lerche/Eule) kann das etwas früher oder etwas später sein. Die größten „Feinde“ des Melatonins sind Helligkeit und Elektrosmog.

Ein No go bei Schlafstörungen – sich die Zeit mit Handy vertreiben

Abb. 2: Ein No go bei Schlafstörungen – sich die Zeit mit Handy vertreiben

Bei Schlafstörungen sollte also für eine absolute Dunkelheit im Schlafzimmer gesorgt werden. Wenn das Zimmer nicht vollständig abzudunkeln ist, hilft eine Schlafmaske enorm weiter. Elektrogeräte, besonders Handys, Smartphones und Laptops sollten aus dem Schlafzimmer verbannt werden. Wer Schlafstörungen hat, sollte ab 21h diese Geräte nicht mehr benutzen. Ein Blaufilter, den man sich als App herunterladen kann, hilft ein wenig, die Störung der Melatonin-Synthese zu minimieren, wenn man denn nun abends unbedingt noch das Smartphone oder den Laptop nutzen muss – aber besser ist es ganz ohne. Auch spätes Fernsehen ist einem gesunden Schlaf nicht zuträglich, weil die Melatonin-Bildung behindert wird.

Bei Fernreisen in Ost-West-Richtung oder bei Schichtarbeitsumstellungen (z.B. von Tag- auf Nachtschicht) gerät der Rhythmus der Melatonin-Bildung durcheinander, weshalb viele Betroffene dann Melatonin anwenden. Die wichtigste Indikation für den Einsatz von Melatonin sind Schlafstörungen, wobei Einschlafstörungen nach meiner Erfahrung besser auf Melatonin ansprechen als Durchschlafstörungen, wo häufiger ein Serotoninmangel vorliegt.

Melatonin ist außerdem ein wichtiges Antioxidans. Bei niedrig entwickelten Lebewesen (Melatonin ist also in der biologischen Evolutionsgeschichte eine uralte Substanz) spielt Melatonin sogar nur die Rolle eines Antioxidans. Da es aufgrund seiner geringen Größe leicht Zellmembranen und die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann, wirkt es auch intrazellulär, intramitochondrial und intrazerebral antioxidativ. Es wirkt als direkter Radikalfänger hochreaktiver Sauerstoffverbindungen und wirkt synergistisch zusammen mit anderen Antioxidantien. Nicht Vitamin E – wie häufig angenommen – ist das wichtigste fettlösliche Antioxidans. Es wirkt doppelt so stark antioxidativ wie das wichtige Vitamin E.

Krankenschwestern, die regelmäßig Nachtdienst haben, erkranken wesentlich häufiger an Brustkrebs als Krankenschwestern mit ausschließlich Tagdienst. Wissenschaftler führen dies auf eine gestörte Melatonin-Bildung und damit verringerten Krebsschutz der Nachtschwestern zurück. Eine systematische Meta-Analyse ergab unter Einnahme von Melatonin eine um 2/3 verringerte Sterberate bei verschiedenen Krebsarten. Nebenwirkungen wurden dabei keine beobachtet. Weitere Studien deuten darauf hin, dass die Wirkung von Chemo- und Radiotherapie sogar verstärkt wird.
Folgende Wirkungen von Melatonin werden noch diskutiert:

–    Migräneprophylaxe
–    Anregung des Haarwuchses
–    Verzögerte Alterung
–    Vermeidung Arteriosklerose, Schlaganfall, Herzinfarkt
–    Verbesserung des Schlaf-Wachrhythmus bei Jetlag

 

Diagnostik

Vor einigen Jahren besuchte ich einmal eine Fortbildung von Schlafmedizinern, die in einer auf Schlafstörungen spezialisierten Klinik stattfand. Ich fragte in der Diskussion danach, wie oft sie einen Melatonin-Mangel als Ursache von Schlafstörungen finden würden (nach meiner persönlichen Erfahrung mindestens 50 %). Aus der Antwort wurde ersichtlich, dass die Schlafmediziner noch niemals das Melatonin bei einem ihrer Patienten untersucht hatten und auch gar nicht wussten, wie das geht. Immerhin habe ich schon Patienten mit Schlafstörungen gesehen, die Laborbefunde mitgebracht haben, wo die Ärzte an die Bestimmung von Melatonin gedacht hatten. Es war dann das Melatonin im Morgenurin oder im Morgenblut untersucht wurden. Das ist natürlich völliger Blödsinn! Mit dem ersten Licht aus der Glühbirne oder den ersten Sonnenstrahlen beginnt der Abbau von Melatonin. Wenn ich dann eine Stunde nach dem Aufstehen messe, kann ich keine nennenswerten Spiegel mehr nachweisen. „Normwerte“ für solche Messungen sind völlig unbrauchbar.
Ein verlässlicher Wert ist die Bestimmung des Melatonins aus dem Nachturin (dafür muss aber der komplette Nachturin, der dann auch gesammelt werden muss, untersucht werden). Früher habe ich das so praktiziert. Inzwischen bediene ich mich der Melatonin-Messung aus dem Nachtspeichel. Ich will ja wissen, wie hoch der maximale Spiegel an Melatonin ist. Wie viel vermag die Zirbeldrüse überhaupt noch zu leisten? Der Spiegel sollte also mitten in der Nacht bestimmt werden. Zum Glück bedarf es dazu keiner ärztlichen Blutabnahme mitten in der Nacht, vielmehr gebe ich meinen Patienten ein Speichelröhrchen mit, welches drei Stunden nach dem Verlöschen des Lichtes mit Spucke gefüllt werden sollte. Die Patienten müssen sich also den Wecker stellen. Im Vergleich zum nächtlichen Sammelurin halte ich das für eine elegantere und bequemere Lösung. Wenn der Spiegel dann unterhalb der Norm ist, darf davon ausgegangen werden, dass ein Melatonin-Mangel an den Schlafstörungen mitbeteiligt ist.

Therapie

Ist das Schlafhormon Melatonin im Mangel, dann gibt man es und der Schlaf reguliert sich in sehr vielen Fällen. So einfach ist das. Nicht ganz, denn einiges muss man beachten. Ich hatte schon viele Patienten, die sogar das einzige in Deutschland zugelassene Medikament eingenommen hatten – meist mit sehr bescheidenen Erfolgen. Woran liegt das? Das Präparat ist mit 2 mg bei einem richtigen Melatonin-Mangel nach meiner Erfahrung viel zu niedrig dosiert. Die anderen Nachteile werden weiter unten erläutert.
Wenn wirklich ein Melatonin-Mangel nachgewiesen wurde, dann muss ich auch klotzen und darf nicht kleckern. Unter 3 mg sollte man erst gar nicht anfangen, 5 mg wären besser. Es gibt Kapseln als Nahrungsergänzung mit diesem Gehalt. Ich selbst bevorzuge 10 mg, um zu sehen, ob eine gute Dosis wirklich funktioniert. Wenn es sehr gut wirkt, kann ich die Dosis immer noch reduzieren. Und ich gebe es als Liposomen-Creme, die dafür sorgt, dass es zu praktisch 100 % über die Haut resorbiert wird und rasche, hohe Wirkspiegel erzeugt. Es gibt einige Apotheken, die sich darauf spezialisiert haben, Melatonin als Kapsel oder Creme auf Individualrezeptur herzustellen.

Kann man Melatonin überdosieren? Mit 3-5-10 mg befinden wir uns in der Range der körpereigenen Tagesproduktion. Von solchen physiologischen Dosierungen kann also überhaupt keine Gefahr ausgehen.

Besteht eine Akkumulationsgefahr? Als fettlösliches Substrat könnte sich Melatonin ja theoretisch im Fettgewebe anreichern. Praktisch ist dies jedoch nicht möglich. Bei Exposition mit Licht wird Melatonin nur noch abgebaut und es wird kein neues gebildet.

Kann man von Melatonin nicht abhängig werden? Diese Frage wird mir oft gestellt. Als ich mit der Melatonin-Therapie begann, wusste ich darauf so keine rechte Antwort. Bei den meisten der üblichen synthetischen Schlafmittel geht es nach wenigen Wochen Dauereinnahme überhaupt nicht mehr ohne. Diese Mittel müssen dann erst wieder „entzogen“ werden – mit entsprechenden schlaflosen Nächten. Die Befürchtung ist beim Melatonin theoretisch nicht ganz unbegründet. Vielleicht produziert die Zirbeldrüse bei ständiger Zufuhr von außen irgendwann gar kein Melatonin mehr und wir sind auf eine dauerhafte Zufuhr angewiesen? Meine Erfahrung widerlegt dies. Ich habe schon oft von Patienten gehört, dass sie das Melatonin einige Wochen mit gutem Erfolg eingesetzt haben – und dann eines Tages gemerkt haben, dass sie eine gute Nacht hatten, obwohl sie am Abend (die Salbe wird direkt beim Zubettgehen an der Innenseite der Unterarme oder am Bauch eingecremt) die Einnahme vergessen hatten. Ich rate den Patienten dann, das Melatonin auf dem Nachttisch zu lassen und nur noch dann zu nehmen, wenn sie vielleicht nach einer halben Stunde nicht eingeschlafen sind. Das klappt in vielen Fällen außerordentlich gut. Manche brauchen es sogar irgendwann gar nicht mehr. Dies spricht dafür, dass, die Zirbeldrüse durch die Zufuhr von außen möglicherweise geschont wird und sich sogar wieder erholen kann. Und selbst wenn es nicht so wäre – dann würde ich lieber lebenslang ein natürliches Schlafhormon als einen künstlichen Tranquilizer mit erhöhter nächtlicher Sturzgefahr, Leberschädigungen und weiteren unangenehmen Nebenwirkungen einnehmen.

Ist das Melatonin in den Präparaten denn künstlich oder natürlich? Melatonin ist naturidentisch, d.h. das Molekül unterscheidet sich überhaupt nicht von der natürlich selbst produzierten Form. Meines Wissens wird es aus den natürlichen Aminosäuren Tryptophan (kommt in jedem Eiweiß vor) oder 5HTP (kommt in der afrikanischen Bohne Griffonia vor) halbsynthetisch hergestellt. Die Alternative wäre, ein ganz natürliches Melatonin aus den Zirbeldrüsen von Schlachttieren zu gewinnen. Abgesehen, dass dies rechtlich heute vermutlich gar nicht mehr möglich wäre (BSE-Gefahr, da tierisches Nervengewebe verarbeitet wird) und viel zu aufwändig und teuer wäre, würde ich gegenüber einem solchen „natürlichen Melatonin“ dann doch das „naturidentische Melatonin“ favorisieren.

Gibt es den nicht natürliches Melatonin in Lebensmitteln? Doch, es gibt einige Lebensmittel, die natürliches Melatonin enthalten. Die Dosen reichen aber nicht aus, um pharmakologische Effekte zu erzielen. Mittlerweile gibt es „Melatonin-Milch“ auf dem Markt. Dabei werden Kühe nachts gemolken, was zu höheren Melatonin-Gehalten führt, weil die Kuh ja nachts auch Melatonin bildet und in die Milch abgibt. Die Konzentrationen liegen bei etwa 0,04 mg pro Liter. Man müsste abends also etwa 100 l (!) einer solchen Milch trinken – und schon hätte man ausreichende Mengen an Melatonin zugeführt.

Melatonin – das Schlafhormon

Abb. 3: Erholsamer Schlaf führt zu freudigem Erwachen und einem energiereichen Tag

Zusammenfassung

Jeder mit Schlafstörungen sollte einmal seinen Melatonin-Spiegel (in der Nacht!) messen lassen, um zu erfahren, ob eine Therapie mit Melatonin bei ihm erfolgversprechend ist. Ich selbst verschreibe Melatonin ausschließlich dann, wenn ich einen solchen Mangel nachgewiesen habe. Wenn ich Melatonin verordne, so verschreibe ich ja ein nicht zugelassenes Medikament, für dessen Anwendung ich die volle Verantwortung übernehme. Da möchte ich schon wenig rechtlich abgesichert sein und einen laborchemischen Mangel vorweisen können, der die Indikation dann auch rechtfertigt. Nebenbei ist die Chance dann auch höher, dass die Kosten eventuell von einer Kasse übernommen werden – ansonsten ist es nahezu aussichtlos.
Eine Ausnahme mache ich bei Patienten mit vorübergehenden Schlafstörungen durch Änderung des Schlaf-Wach-Rhythmus infolge von Reisen über mehrere Zeitzonen oder Schichtarbeit. Hier kann es sinnvoll sein, auch ohne Messung passager mal Melatonin für kurze Zeit zu verabreichen, um eine schnellere Anpassung an den neuen Rhythmus zu ermöglichen.

In diesem Sinne. A guets Nachtli usd Schwyz,

Dr. Volker Schmiedel

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Schlafstörungen verpennt?

 

Dr. med. Quintus Querulantius merkt hierzu an: Wie häufig Schlafstörungen sind, lässt sich gar nicht genau beziffern. Letztlich hängt dies davon ab, wie man genau eine Schlafstörung definiert. Wikipedia geht jedenfalls von 20-30 % aller Menschen in Industrienationen aus, die darunter leiden.

Schlafstörungen wären also ein lukratives Gebiet für Ärzte, die sich damit auskennen. Und es gibt ja sogar den „Schlafmediziner“, der dafür zuständig sein sollte. Vielleicht tue ich einigen davon jetzt unrecht, aber ich habe den Eindruck, dass Patienten in der Schlafmedizin hauptsächlich auf eine nächtliche Beatmung eingestellt werden, wenn sie unter dem Schlafapnoesnydrom leiden.

Ich sehe – zumindest bei den Patienten, die wegen Schlafstörungen zu mir kommen – praktisch nie, dass das Melatonin untersucht wurde. Würde man das nicht eigentlich erwarten? Wenn ein Arzt Verdacht auf eine Schilddrüsenunterfunktion hat, werden natürlich die Schilddrüsenhormone untersucht. Hat der Arzt Verdacht auf einen Diabetes, untersucht er den Blutzucker. Nur beim Schlaf wird an das Naheliegendste nicht gedacht? Pennen hier etwa die Schlafmediziner? Kennen sie das Melatonin nicht? Wissen sie nicht, wie man damit therapiert? Liegt es – wie so oft – daran, dass Melatonin keine patentierbare Substanz ist und es keine große Pharma-Firma mit einer guten Marketing-Abteilung gibt, die das vertreibt und bewirbt?

Ja, es gibt ein Melatonin auf dem deutschsprachigen Markt. Ich habe es aber bisher nur selten verordnet gesehen. Ich habe auch noch nie von einem Patienten gehört, der damit gute Erfahrungen gesammelt hat. Woran liegt das?

–    Vielleicht ist vorher gar nicht gemessen worden. Melatonin wirkt auch schlaffördernd, wenn kein Mangel da ist – aber natürlich nicht so gut.
–    Es ist mit 2 mg nach meiner Ansicht unterdosiert. Ich fange immer mit 10 mg an. Einen Schaden kann ich damit nicht anrichten. Und wenn es gut wirkt, kann man immer noch die Dosis reduzieren.
–    Es ist ein retardiertes Präparat, d.h. es wirkt verzögert und länger. Genau das will ich bei meinen Patienten aber nicht! Die meisten Patienten mit Melatonin-Mangel haben Einschlafstörungen. Wenn sie erst einmal schlafen, geht es oft ganz gut. Also muss ich doch gerade am Anfang rasch hohe Spiegel bekommen. Genau das funktioniert mit einer Retard-Form nicht.
–    Die Melatonin-Tablette gelangt über den Magen-Darm-Trakt in die Leber und wird dort schon zum größten Teil abgebaut. Die Bioverfügbarkeit wird mit 15 % angegeben. D.h. von den 2 mg kommen überhaupt nur 0,3 mg an. Das kann gar nicht richtig wirken! Transdermales Melatonin (als Creme über die Haut) kommt zu nahezu 100 % im Körper an und wird auch nicht sofort über die Leber abgebaut.
–    Der Einsatz des zugelassenen Melatonin-Präparates ist stark eingeschränkt, was die Verordnung nicht leichter macht. Es darf laut Zulassung erst ab 55 Jahre eingesetzt werden. Super! Und was machen die Menschen, bei denen ein Melatonin-Mangel nachgewiesen wird, sie sind aber erst 45 Jahre alt? Sollen die noch 10 Jahre warten?
–    Melatonin sollte nach dem Beipackzettel auch nur 3 Wochen lang angewendet werden. Nach ärztlicher Rücksprache maximal 13 Wochen. Toll! Wenn man doch nur bei herkömmlichen Schlafmitteln, die den Schlaf erzwingen und nachgewiesenermaßen nach wenigen Wochen Daueranwendung abhängig machen, genauso streng wäre wie beim natürlichen und nach meiner Erfahrung niemals abhängig machenden Melatonin.

Ich weiß nicht, wer sich solche weltfremden Regeln ausdenkt. Aber mit einem rationalen medizinischen Handeln, welches dem Wohle des Patienten verpflichtet ist, haben sie jedenfalls nichts zu tun. Ich hoffe nur, dass Schlafgestörte irgendwann einmal an Therapeuten geraten, die sich mit Melatonin und Serotonin wirklich gut auskennen. Einer Vielzahl davon könnte einfach und nebenwirkungsarm geholfen werden. Und vielleicht wacht die konventionelle Medizin irgendwann einmal aus ihrem Dornröschenschlaf auf und macht sich die positiven Erfahrungen der mit Melatonin bereits erfolgreich arbeitenden Ärzte zunutze.

Herzliche Grüße und einen gesunden Schlaf wünscht Ihnen

Ihr Dr. med. Quintus Querulantius

 

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