Nährstoffe und Neurodermitis: Hilft orthomolekulare Therapie bei entzündlichen Hauterkrankungen?

In meinem Artikel „Nährstoffe und Neurodermitis: Hilft orthomolekulare Therapie bei entzündlichen Hauterkrankungen?“, der 2016 in der Zeitschrift EHK erschien, geht es um den möglichen positiven Einfluss der Nährstoffe Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren, GLA, Selen und Zink.

In den vergangenen Jahrzehnten nimmt die Anzahl der an Neurodermitis erkrankten Kinder und Erwachsenen drastisch zu.

Die Nahrungsmittel scheinen dabei ein wichtiger Einflussfaktor zu sein. Somit liegt es nahe, dass auch bestimmte Nährstoffe in der richtigen Dosierung zur Therapie und Vermeidung von entzündlichen Hauterkrankungen eingesetzt werden können.

Vitamin D

Vitamin D hat immunmodulierende und entzündungshemmende Eigenschaften und kann sich schon seit langer Zeit bei Psoriasis (topische Anwendung) bewähren.

Es wurde eine placebokontrollierte Doppelblind-Studie mit 24 Atopikern durchgeführt. Die Teilnehmer erhielten entweder ein Placebo oder 2.000 IE Vitamin D. Nach bereits vier Wochen war der SCORAD-Score und der Erythem-Index signifikant geringer (p<0,05). Außerdem ergab sich eine inverse hoch signifikante Korrelation zwischen der Staphylococcus aureus-Besiedlung und dem klinischen SCORAD-Score (p<0,001). Die Forscher führen diese geringere bakterielle Hautbesiedlung auf die Supplementierung von Vitamin D zurück.

Eine weitere Studie untersuchte 107 Kinder (durchschnittlich neun Jahre alt), die an Neurodermitis und verstärkten Beschwerden im Winter litten. Sie erhielten ebenfalls entweder ein Placebo oder 1.000 IE Vitamin D.

Es ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p=0,04). In der Vitamin D-Gruppe gab es eine Verbesserung um 6,5 Punkte, in der Placebo-Gruppe um nur 3,3 Punkte. Die Forscher folgern, dass Vitamin D bei Dermatitis (insbesondere, wenn sie im Winter stärker wird) helfen kann.

Bei einer ähnlich aufgebauten Studie mit 60 Patienten ergaben sich ähnliche Ergebnisse. Auch hier verbesserte sich unter 1.600 IE Vitamin D-Gabe der SCORAD-Score sowie der TIS-Score. Die Autoren sprechen sich für eine Supplementierung von Vitamin D bei Neurodermitis aus.

Diese Studien liefern eindeutige Ergebnisse. Eine Vitamin D-Therapie scheint folglich auf jeden Fall sinnvoll zu sein. Für meine Patienten strebe ich generell einen Vitamin D-Spiegel von 100-150 nmol/l bzw. 40-60 ng/ml an.

Omega-3-Fettsäuren

Für viele Ernährungswissenschaftler ist die westliche Ernährungsweise mit vielen Omega-6- und wenigen Omega-3-Fettsäuren ein Risikofaktor für Neurodermitis. Studien belegen diese These:

  1. Studie: Gabe von 5,4 g DHA oder Placebo

In der Doppelblind-Studie ergab sich in der DHA-Gruppe nach acht Wochen eine Verbesserung des SCORAD-Scores von 37,0 auf 28,5. Bei der Placebo-Gruppe ergab sich lediglich eine Besserung von 35,4 auf 33,4.

Die Forscher beurteilten daraufhin marine Omega-3-Fettsäuren als wirksames Mittel gegen atopische Dermatitis.

  1. Studie: Gabe von hohen Dosen Omega-3-Fettsäuren und anderen Nährstoffen

 

In der offenen Studie wurde der SCORAD-Score bei 14 von 17 Patienten um 50 % reduziert.

 

  1. Studie: Gabe von Omega-3-Fettsäuren oder Placebo an, an atopischer Dermatitis erkrankte Hunde

 

Ausschließlich die klinischen Parameter in der Omega-3-Gruppe verbesserten sich.

 

  1. Studie: Gabe von 10 g Fischöl mit 1,8 g EPA oder Olivenöl an Patienten mit Neurodermitis

 

In der Omega-3-Gruppe wurde ein signifikant geringeres Ekzem (p<0,05), weniger Jucken (p<0,05) sowie subjektive Wahrnehmung der Schwere der Erkrankung (p<0,02) festgestellt.

Seit mehreren Jahren behandle ich entzündliche Hauterkrankungen mit Omega-3-Fettsäuren. Viele meiner insbesondere weiblichen Patienten berichten, dass sie durch die Einnahme von Fischöl geschmeidigere Haut bekommen und weniger Fettcremes benötigen.

Gamma-Linolensäure – der Nutzen von Nachtkerze und Borretsch

Die Omega-6-Fettsäure Gamma-Linolensäure (GLA) ist in der Naturheilkunde bei der Behandlung von Neurodermitis von großer Bedeutung. Fertigpräparate wie Nachtkerzenöl haben einen GLA-Anteil von etwa 11 %, Borretschsamenöl von etwa 25 %.

Studienlage

Die Plasmaspiegel verschiedener Fettsäuren und das IgE wurde bei an Neurodermitis, an allergischer Rhinitis sowie an Asthma erkrankten Kinder und einer gesunden Kontrollgruppe gemessen und miteinander verglichen.

Bei Ekzempatienten und niedrigem IgE bzw. der gesunden Kontrollgruppe war die GLA signifikant höher als bei Atopikern und Kindern, die einen erhöhten IgE-Spiegel hatten. Die Korrelation zwischen den IgE-Spiegeln und GLA war mit -0,64 deutlich negativ. Je geringer GLA also war, desto höher war der IgE-Spiegel.

Bewertung

Diesen Ergebnissen zu Folge sollte sich die klinische Symptomatik bei Atopikern durch zusätzliche Gabe von GLA verbessern.

Dies untersuchte eine Metaanalyse mit 15 klinischen Studien mit GLA. Es wurden allerdings lediglich leichte Effekte gefunden, aber keine, die klinisch relevant sind.

In einer aktuelleren Metaanalyse (19 Studien mit Nachtkerzenöl, 8 Studien mit Borretschsamenöl) wurden ebenfalls keine signifikanten Besserungen hinsichtlich der Ekzeme verglichen mit einer Placebo-Gruppe ermittelt.

Es gibt nur einige wenige Studien, die positive Effekte durch die Einnahme von Nachtkerzen- oder Borretschsamenöl aufzeigen.

Möglicher Grund für die kontroversen Studienergebnisse

Menschen mit Neurodermitis haben vermutlich einen Defekt der Delta-6-Desaturase, welche Linolsäure in GLA umwandelt. Ist ein Defekt vorhanden, kann eine Umwandlung nur minimal oder gar nicht erfolgen. Bei all meinen Patienten mit einer chronisch-entzündlichen Erkrankung, also auch Neurodermitikern, führe ich eine umfangreiche Fettsäuren-Analyse durch, die rund 90 € kostet und selbst von zu Hause aus durchgeführt werden kann.

Somit kann nicht nur das Omega-6/3-Verhältnis bestimmt werden, sondern ebenfalls der GLA-Anteil unter allen Fettsäuren. Liegt ein normaler Anteil vor, kann man von einer funktionierenden Delta-6-Desaturase ausgehen. Der Kauf von Nachtkerzenöl-Präparaten ist dann also nicht notwendig. Wenn allerdings eine gute Versorgung mit Linolsäure nachweisbar ist, der GLA-Referenzwert aber deutlich unterschritten wird, ist die Delta-6-Desaturase vermutlich defekt. In Verbindung mit anderen Maßnahmen konnte ich bei Patienten stets zuverlässige Ergebnisse unter Gabe von GLA erzielen.

Selen

Als essenzieller Bestandteil der Glutathionperoxidase wird Selen ein indirekter antioxidativer Effekt nachgesagt. Für eine volle Wirkung muss der Selenvollblutspiegel vermutlich 140-160 ng/l betragen. Besonders in Deutschland und der Schweiz (selenarme Regionen) ist ein solcher Wert ohne zusätzliche Einnahme von Präparaten schwer zu erreichen.

Studienlage

  1. Studie: Gabe von anorganischem Selen

 

Das Selen im Plasma von Neurodermitikern wurde gemessen und anschließend ein anorganisches Selen eingenommen. Bei 76 % der Teilnehmer stieg der Plasma-Spiegel an. Bei 65 % der Teilnehmer kam es zu einer klinischen Besserung.

 

  1. Studie: Gabe von 600 ng oder 600 ng Selen sowie 600 IE Vitamin D oder Placebo

 

Nach zwölf Wochen stieg das Selen im Vollblut signifikant in beiden Selen-Gruppen an. Es ergaben sich jedoch keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich der Schwere des Ekzems.

Die Studienlage zu diesem Thema ist sehr rar. Wenn der Selenwert im Vollblut nur suboptimal ist, würde ich Selen bei atopischer Dermatitis in einem ganzheitlichen Behandlungskonzept trotzdem einsetzen.

Zink

Als Bestandteil der Superoxiddismutase, weist Zink ebenfalls indirekt eine antioxidative Wirkung auf. Auch zu Zink und Neurodermitis gibt es eine kontroverse Studienlage. Erklärung hierfür könnte sein, dass nur Patienten mit einem Zinkmangel oder suboptimalem Zink-Spiegel von der Gabe von Zink profitieren. Es ist dennoch ein unersetzliches Mineral für die Wundheilung und wird in orthomolekularen Lehrbüchern für die Neurodermitis-Therapie empfohlen.

Fazit

Überraschend war die relativ spärliche Datenlage zu GLA, Selen und Zink, aber die dafür relativ gute Datenlage zu Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren. Hinsichtlich der Studienlage sollte die Gabe von GLA, Selen und Zink weitaus kritischer, differenzierter sowie individualisierter betrachtet werden. Das bedeutet, eine Behandlung sollte (auch bei Vitamin D und Omega-3-Fettsäuren) an den individuellen Blutspiegel angepasst werden.

Anschließend sollte nach drei Monaten eine Kontrolle erfolgen, die Dosis angepasst werden und das so lange, bis optimale Werte erreicht werden. Mit einer solchen Therapie kann ich befriedigende Ergebnisse bei meinen Patienten feststellen, wie die folgenden Kasuistik veranschaulicht.

Kasuistik einer 36-jährigen Frau mit Neurodermitis

Meine Patientin hatte mittelschwere bis schwere Neurodermitis bereits seit ihrem 13. Lebensjahr. Besonders auf Grund ihrer befallenen und trockenen Gesichtshaut zog sie sich zeitweise sogar von sozialen Aktivitäten zurück.

Ich ließ die oben erwähnten Nährstoffe in ihrem Blut messen:

  • Vitamin D: Der Vitamin D-Spiegel war ungewöhnlich niedrig
  • Omega-3-Fettsäuren: Die pflanzliche Omega-3-Fettsäure ALA war in akzeptabler Menge vorhanden. Die marine Omega-3-Fettsäure EPA, die entzündungshemmend wirkt, war deutlich niedriger als in der „Normalbevölkerung“ (einmal wöchentlich Verzehr von Fisch). Im Vergleich zum Referenzwert war der GLA-Wert sehr niedrig. Dies weist deutlich auf einen Delta-6-Desaturasemangel hin.
  • Selen: Der Selen-Wert war hinsichtlich des Optimalwerts für Entzündungsprozesse zu gering.
  • Zink: Ausschließlich Zink lag in einem akzeptablen Normbereich.

Auf Grund dieser Laborergebnisse nahm die Patientin nun täglich 2 g reine Omega-3-Fettsäuren, 1 g GLA, 4.000 IE Vitamin D und 100 ng Selen ein. Die Omega-3-Fettsäuren verabreiche ich seit mehreren Jahren in Form eines flüssigen qualitativ hochwertigen Fischöls. Innerhalb von drei Monaten hatte sich die Haut deutlich gebessert und der AA/EPA-Quotient, Vitamin D und Selen lagen im Optimalbereich, nahezu auch EPA und GLA. Die Therapie wurde daraufhin fortgeführt und die Patientin benötigte keinerlei weitere Behandlung meinerseits.

Ein Jahr später begegnete ich zufällig meiner ehemaligen Patientin. Sie berichtete glücklich über ihre entzündungsfreie Haut, die sie so seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hatte.

 

 

Quelle: EHK 5/2016