Was schützt vor Demenz?

Damit es nicht erst kommt zum Knaxe,
erfand der Mensch die Prophylaxe,
doch lieber beugt der Mensch, der Tor,
sich vor der Krankheit, als ihr vor.
(Eugen Roth)

Heute möchte ich Ihnen die wichtigsten Nährstoffe in der Prävention von Demenzerkrankungen vorstellen. Dies betrifft sowohl die Alzheimer- als auch die vaskuläre Demenz, die auf arteriosklerotische Prozesse zurückzuführen ist. Für andere, seltenere Formen von Demenz könnten diese Nährstoffe vermutlich auch hilfreich sein, wofür es aber noch keine mir bekannten Belege gibt. Zu Beginn gleich die schlechteste Nachricht dieses Newsletters (keine Sorge, dann wird es nur noch besser): Eine fortgeschrittene Demenz kann durch all diese Maßnahmen praktisch nicht mehr beeinflusst werden. Das Beste, was hier vielleicht erreicht werden kann, ist ein Stillstand der Erkrankung, was ja auch schon mal was wäre. Bei leichten kognitiven Defiziten können noch leichte Verbesserungen erzielt werden. Die Domäne liegt aber in der Prävention. Hier gibt es überzeugende Daten, die eine massive Reduktion des Auftretens von Demenz verheißen. Oder im Roth´schen Sinne (s.o.): Wir sollten es bei der Demenz gar nicht erst zum Knaxe kommen lassen. Wenn das Kind erst in den Brunnen gefallen ist, dann können wir eben nicht mehr viel bewirken.

Apropos Kind: Demenzprophylaxe beginnt am besten schon im Kindergartenalter – mit gesunder Ernährung, viel Bewegung (an der frischen Luft und in der Sonne), guten sozialen Kontakten und altersentsprechenden kognitiven Herausforderungen, wobei ich strategische Brett- und Kartenspiele mit „echten“ Spielern immer Computerspielen bevorzugen würden. Und natürlich sollten Kinder auch optimal mit Nährstoffen wie z.B. Vitamin D und Omega-3 ausgestattet sein – vielleicht nicht gerade, um sie jetzt schon gezielt vor Demenz zu schützen, sondern um vor den im Kindesaltern häufigen Autoimmunkrankheiten und vor Infektionen zu schützen (den Demenzschutz bekommt man dann noch gratis dazu, wenn man ein Leben lang für eine gute Nährstoffversorgung sorgt).

Hier ist die Agenda:

  • Q10
  • Vitamin D
  • Omega-3
  • B-Vitamine
  • Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe
  • Cannabis (!)

Wenn wir etwas für unsere Hirnfunktionen tun wollen, dann müssen wir vier Punkte beachten:

  1. Stärkung der Energieproduktion (Mitochondrien)
  2. Hemmung von Entzündungsreaktionen
  3. Abfangen von giftigen freien Radikalen (Antioxidation)
  4. Verbesserung der Entsorgung von belastenden Substanzen aus den Nervenzellen (Autophagie), sowie der Abbau und die Verhinderung von schädlichen Proteinablagerungen und die Hemmung wichtiger Enzyme des programmierten Zelltodes.

Ich muss mich bei Ihnen jetzt schon bei den Lesern entschuldigen, die sich nicht sonderlich für wissenschaftliche Studien begeistern können (das soll es ja geben). Sie werden an diesem Newsletter nicht so viel Spaß finden. Das Wichtigste haben Sie ja schon in der Einleitung gelesen. Sie können den Rest gern überfliegen, müssen sich aber nicht darin vertiefen. Immerhin ein kleiner Trost: Eine „Studie des Monats“ wird es dieses Mal nicht geben – das wäre dann selbst für mich zu viel des Guten. Leider noch ein Wermutstropfen: Dieser Newsletter ist sehr ausführlich und Dr. Querulantius musste auch mal Urlaub machen – ich bitte um Verständnis. Hinweisen möchte ich aber die der vielen Studien Überdrüssigen noch auf den Buchtipp, die konkreten Empfehlungen von Produkten mit den beschriebenen Substanzen und die Veranstaltungshinweise, die ich Ihnen dieses Mal besonders ans Herz lege.

Die anderen dürfen sich auf eine „kleine Bachelor-Arbeit“ freuen, was die Suche nach Studien zum Nutzen der erwähnten Nutrients angeht. Ich finde es wirklich bemerkenswert, wie viele Daten mittlerweile existieren. Dies ist umso erstaunlicher, als den Studien keine merkantilen Interessen zugrunde liegen, sondern die Wissenschaftler hier wirklich uneigennützig und pharma-unabhängig Grundlagenforschung betrieben haben. Dem ist höchster Respekt und Dank zu zollen! So, nun geht es aber los – wenn Sie noch dabeibleiben wollen. Dann viele neue Erkenntnisse – und vielleicht doch ein wenig Spaß, aber jeden Fall aber Informationsgewinn!

Q10 sorgt für Energie – auch in den kleinen, grauen Zellen

Q10 (synonym: Ubichinon oder Ubiquinon 10) ist einer der entscheidenden Nährstoffe für die Energiegewinnung in den Mitochondrien, den Kraftwerken unserer Zellen, also auch der Nervenzellen. Jede Hirnzelle hat hunderte bis tausende Mitochondrien. Nur die Muskelzellen haben vergleichbar viele und nur die Eizelle hat mehr. Außerdem hemmt Q10 Entzündungen und fängt freie Radikale ab. Drei der vier oben erhobenen Forderungen an einen anti-dementiven Nährstoff werden also erfüllt. Doch lässt Q10 auch unsere Birne tatsächlich heller und länger brennen?

Eine epidemiologische Studie gibt zumindest Hinweise darauf. Bei Japanern wurde der Q10-Spiegel gemessen. Je tiefer dieser war, desto größer war das Risiko für Demenz. Das Viertel mit dem besten Q10-Spiegel wies sogar nur ein Risiko von 0,23 im Vergleich zu denen mit den schlechtesten Werten auf. Bei guter Q10-Versorgung wurden also mehr als ¾ weniger Fälle von Demenz beobachtet (Yamagishi et al., 2014). Solche epidemiologischen sind nicht beweisend, aber immerhin hinweisend.

Der nächste Schritt ist dann der Tierversuch. Mäuse erhielten Q10 im Trinkwasser oder Placebo. Bei den Q10-Mäusen konnte tatsächlich weniger Amyloid-β nachgewiesen werden, das Langzeitgedächtnis war besser und auch das räumliche Arbeitsgedächtnis blieb besser erhalten. Amyloid-β ist eine der „Alzheimer-Substanzen“ im Gehirn. Wenn dieser Tierversuch auf den Menschen übertragbar ist, sollten diese Wirkungen beim Menschen ähnlich sein (Muthukumaran et al., 2018). Ergänzend muss dazu gesagt werden, dass das Viertel mit den höchsten Q10-Spiegeln einen Wert von 1,25 mmol/l aufwies. Dieser befindet sich bereits an der oberen Normgrenze. Ich sehe so gute Werte bei meinen Patienten nur selten oder bei denen, die Q10 supplementieren.

Leider gibt es noch keine „richtige“, klinische Studie am Menschen, die den Nutzen von Q10 für die Kognition endgültig beweisen würde. Aber eine solche ist immerhin in Planung. Gesunde Probanden über 60 Jahre sollen 200 mg Q10 oder Placebo bekommen. Nach 90 Tagen sollen kognitive Funktionen gemessen werden (Stough et al., 2019). Wir dürfen auf die Ergebnisse gespannt sein. Niemand macht aber einen Fehler, jetzt schon gut mit Q10 versorgt zu sein. Die positiven Effekte auf Herzfunktion und Lebenserwartung sind ja mittlerweile zweifelsfrei belegt, siehe auch
https://www.dr-schmiedel.de/beeinflussung-lebenserwartung-durch-q10-und-selen/

Das Sonnenhormon schützt nicht nur den Knochen, sondern auch das Hirn

Vitamin D-Mangel wird mit Demenz in Verbindung gebracht. Wer also an Sonne unterbelichtet ist, wird auch im Oberstübchen nicht hell leuchten können. In einer Studie in Neurology, dem wichtigsten Fachmagazin der Neurologen weltweit, konnte in einer aufsehenerregenden Studie gezeigt werden, dass niedrige Vitamin D-Spiegel mit einer Verdoppelung des Risikos für Demenz im Allgemeinen und Alzheimer im Besonderen verbunden ist (siehe Abb. 1, Littlejohns et al., 2014). Die Grenzwerte waren dabei < 25 nmol/l oder < 50 nmol/l. Unter 25 nmol/l ist ein wirklich schlechter Wert, der aber auch noch von etwa jedem 7. Erwachsenen bei uns unterschritten wird. 50 nmol/l ist auch kein optimaler Wert, der aber sogar von etwa jedem zweiten Erwachsenen bei uns unterschritten wird. Wie viele Fälle von Demenz könnten wir verhindern, wenn wir alle nur über 50 nmol/l brächten? Und was könnten wir erzielen, wenn alle Werte über 100 nmol/l aufwiesen? Hierzu gibt es keine epidemiologischen Studien, da solche Werte ohne Supplementation, also nur mit Sonne und Nahrung in Mitteleuropa kaum erzielt werden.

Noch eindrucksvoller ist ein ganz aktuelles Review, welches epidemiologische, genetische und interventionelle Studien berücksichtigt (hier allerdings nur für Alzheimer).  In allen Beobachtungsstudien wurden schlechtere Hirnfunktionen bei  niedrigeren Vitamin D-Spiegeln gefunden. In allen genetischen Studien wurden bei veränderten Vitamin D-Rezeptoren schlechtere Hirnfunktionen eruiert. Bei den Vitamin D-Rezeptorveränderungen wirkt das Vitamin D nicht mehr so gut, es besteht quasi eine Vitamin D-Resistenz ähnlich der Insulinresistenz beim Diabetes mellitus II. Es werden dann wesentlich höhere Vitamin D-Dosen benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Und alle fünf Interventionsstudien fanden Verbesserungen in den Vitamin D-Gruppen (Dursun et al., 2019). In einer Studie konnte in der Vitamin D-Gruppe ein Hinauszögern der Entwicklung von Demenz um durchschnittlich 1 Jahr gefunden werden. Das erscheint nicht viel. Wenn man aber bedenkt, dass die teuren und nebenwirkungsreichen Anti-Dementiva nur wenig Monate Verzögerung schaffen, so ist dies schon beachtlich. An einer präventiven und therapeutischen Wirkung von Vitamin D kann wissenschaftlich inzwischen kein Zweifel mehr bestehen. Ich persönlich würde immer einen Spiegel von über 100, besser etwa 150 nmol/l anstreben. Die meisten Menschen benötigen hierfür 4000-6000 IE.

Abb. 1: Deutlich weniger Demenz und Alzheimer bei ausreichender Vitamin D-Versorgung

Omega-3 – kann man mit Fischen der Demenz davonschwimmen?

In einer epidemiologischen Studie mussten Versuchspersonen einen Ernährungsfragebogen ausfüllen und es wurde ein Schädel-MRT durchgeführt. Je größere der Fischkonsum war, desto höher war das Volumen des Hippocampus, der eine zentrale Rolle bei der Gedächtnisfunktion darstellt (Raji et al., 2014).

Bei mehreren hundert Altersheimbewohnern zwischen 67 und 100 Jahren wurde ein Ernährungsfragebogen erhoben, daraus die DHA-Zufuhr errechnet (wichtigste Omega-3-Fettsäure für das Nervensystem) und DHA im Blut gemessen. Das Risiko für das Drittel mit dem höchsten DHA-Spiegel im Blut, eine Demenz zu haben, betrug nur 35 %, für Alzheimer nur 40 %. Beim DHA-Gehalt im Essen waren die Effekte noch deutlicher. Das Risiko betrug hier nur 27 % für Demenz und 28 % für Alzheimer (Lopez et al., 2011). Nach diesen Daten könnte es möglich sein, bei guter DHA-Versorgung 2/3 bis ¾ Erkrankungen an Demenz/Alzheimer zu verhindern!

In einer prospektiven Studie an fast tausend älteren Menschen wurde der DHA-Spiegel im Blut gemessen. Das Viertel mit dem höchsten DHA-Spiegel wies nur ein Risiko von 53 % für Demenz und von 61 % für Alzheimer auf (Schäfer et al., 2006). Danach könnten bei guter Versorgung immerhin 1/3 bis ½ Erkrankungen an Demenz/Alzheimer vermieden werden.

Nervenvitamine schützen vor Demenz

B-Vitamine sind unsere wichtigsten Nervenvitamine. Sie tragen zum Stoffwechsel und zur Regeneration der Nervenzellen über vielfältige Mechanismen bei. Eines der wichtigsten Wirkprinzipien scheint wohl die Senkung des Homocysteins zu sein. Homocystein ist eine Aminosäure, die ständig in unserem Zwischenstoffwechsel entsteht und sofort wieder abgebaut werden muss. Sie kann nicht in Eiweiß eingebaut, aber in die Aminosäuren Methionin oder Cystein umgebaut werden. Wir benötigen dafür aber die Vitamine B6 und B12 sowie Folsäure. Etwa 10 % der Bevölkerung haben eine genetische MTHFR-Mutation (ein Enzymdefekt im Folsäurestoffwechsel) und benötigen wesentlich höhere Zufuhr an diesen Vitaminen, um normale Spiegel zu erzielen. Omnivoren weisen durchschnittliche Spiegel von 8,8, Vegetarier von 10,6 und Veganer von 12,8 µmol/l auf (Herrmann et al., 2003). Werte unter 10 werden als optimal angesehen.

Bei knapp 500 Gesunden und Dementen wurde der Homocysteinspiegel gemessen und statistische Risiken berechnet. Der Homocysteinspiegel bei den Gesunden betrug 12,9 µmol/l, bei den Dementen hingegen 17,6 µmol/l. Legt man einen cut off bei 15 µmol/l, so beträgt das Risiko für eine Demenz bei einem Wert darüber 518 % im Vergleich zu einem Wert darunter – das ist mehr als das Fünffache (Song et al., 2010).

In einer methodisch etwas kompliziert, aber elegant konzipierten Studie wurde bei 168 Menschen ≥70 Jahren mit bereits vorhandene milder kognitiver Störung mittels MRT (Magnetresonanztomographie, ein bildgebendes Verfahren) das Hirnvolumen ermittelt. Die eine Gruppe erhielt Vitamin B6, B12 und Folsäure, die andere nicht. Nach zwei Jahren wurde erneut ein MRT durchgeführt und es wurde der Hirnabbau gemessen. In der Gruppe mit den B-Vitaminen fiel dieser um ganze 40 % geringer aus. Am Anfang hatte man auch Omega-3 im Blut gemessen. Dieses wurde nicht supplementiert. Es zeigte sich aber, dass nur diejenigen mit einer relativ guten Omega-3-Versorgung mit einem verzögerten Hirnabbau reagierten (Jernerén et al., 2015). B-Vitamine können den Hirnabbau also nicht aufhalten, aber zumindest verzögern – jedoch nur dann, wenn genügend Omega-3 vorhanden ist.

Was könnten wir wohl erreichen, wenn wir allen Gefährdeten Q10, Vitamin D, Omega-3, B-Vitamine und sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe (s.u.) geben würden? Eine solche komplexe, methodisch aufwändige und teure Studie gibt es noch nicht und wird es wohl absehbar auch nicht geben, da keine der großen Pharmafirmen daran interessiert ist (keine der Substanzen ist patentierfähig und damit auch nicht profitträchtig). Und die kleinen Pharmafirmen, die solche Präparate herstellen, haben nicht die finanziellen Mittel, solche Studien zu konzipieren.

Sekundäre Pflanzeninhaltsstoffe – mit Pflanzennahrung gegen Demenz

Zu den sekundären Pflanzeninhaltsstoffen gibt es bezüglich Demenz bei weitem nicht so viele Studien wie zu Vitamin D oder Omega-3. Aber einige Beispiele möchte ich schon nennen, die belegen, dass die Prävention oder Therapie mit solchen Substanzen keineswegs einer wissenschaftlichen Grundlage entbehren. Es ist davon auszugehen, dass die Kombination verschiedener Substanzen synergistische Effekte entfaltet – so wie das oben für B-Vitamine und Omega-3 bereits bewiesen wurde.

In einer aktuellen Übersichtsarbeit (März 2019) werden Polyphenole aus Grüntee, Curcuma, Resveratrol, Tanninen usw. als nützliche Substanzen genannt, um die Synthese sowie die Aggregation von Amyloid-β zu behindern, um so vor Alzheimer schützen zu können (Gaudreault et al., 2019).
Nehmen wir uns mal die einzelnen Substanzen vor. Eine recht gute Datenlage besteht bereits für Grüntee.

In einer mehr als fünfjährigen Studie an mehr als 13.000 Teilnehmern kam es zu 8,7 % neuen Fällen von Demenz. Diejenigen mit einem Konsum von ≥ 5 Tassen Grüntee pro Tag wiesen deutlich weniger Demenz auf. Es konnte sogar eine klare Dosis Wirkungsbeziehung gefunden werden (Tomata et al., 2016):

Oolungtee, ein halbfermentierter chinesischer Tee, hatte auch präventive Wirkungen, wenn auch nicht so deutlich und statistisch nicht signifikant:

Schwarztee, die fermentierte Form des Tees, zeigte hingegen gar keinen Schutz vor Demenz:

Nun fällt es vermutlich einigen Menschen schwer, jeden Tagen 5 und mehr Tassen Grüntee zu trinken. Präparate, in die man ohne Weiteres die Grünteemenge von mehreren Tassen einbringen kann, könnten hier einnahmetechnisch Vorteile bieten.

Eine andere Studie konnte dies bestätigen. 490 Teilnehmer > 60 Jahre mit normalen kognitiven Funktionen zu Beginn wurde 4-5 Jahre beobachtet. 5,3 % bekamen eine ausgeprägte Demenz und 13,1 % zeigten leichte kognitive Beeinträchtigungen (MCI = Mild Cognitive Impairment).

Während bei der Demenz (p = 0,009) und der MCI (p = 0,001) hoch signifikante Unterschiede auftraten, war bei Demenz nur beim Kaffee eine Tendenz zu einem Schutz sichtbar, die aber statistisch nicht das Signifikanzniveau erreichte (p = 0,181). Beim Schwarztee war hingegen kein präventiver Effekt erkennbar (Noguchi-Shinohara et al., 2014).

In einem Review wird ausgeführt, dass Curcumin, der Hauptbestandteil von Curcuma, die Javanische Gelbwurz, die Bildung und Aggregation der berüchtigten Amyloid-β-Plaques im Gehirn von Alzheimerpatienten behindert. Es bindet Kupfer. Es senkt Cholesterin. Es behindert das Enzym Acetylcholinesterase, welches Acetylcholin abbaut. Acetylcholin wird für die geistige Tätigkeit benötigt (einige der Anti-Dementiva bedienen sich genau dieses Wirkprinzips, aber um den Preis hoher Kosten der Medikamente sowie zahlreicher Nebenwirkungen). Es beeinflusst außerdem den Insulinstoffwechsel (Demenz wird mitunter auch als Diabetes Typ III bezeichnet, weil eine Insulinresistenz im Gehirn eine wichtige Rolle zu spielen scheint). Und es wirkt anti-oxidativ. Damit stellt Curcuma eine Demenzprophylaxe dar, die gleich auf vielen unterschiedlichen Wirkmechanismen beruht (Tang et al., 2017).

Doch das ist zunächst nur graue Theorie, wenn sich diese theoretischen Überlegungen nicht in der Realität bestätigen lassen. In einer kontrollierten Studie erhielten daher 96 ältere Menschen ein Jahr lang ein Curcuma-Präparat oder Placebo. Beim Montreal Cognitive Assessment kam es in der Placebo-Gruppe zu einem Abfall, was in der Curcuma-Gruppe nicht der Fall war (Rainey-Smith et al., 2016).

Eine Studie untersuchte sowohl Kurzzeit- als auch Langzeiteffekte von Curcumin. 60 Minuten nach einer akuten Gabe und 4 Wochen nach Dauergabe wurde bei den Probanden mit Curcuma ein deutlich verbessertes Gedächtnis sowie bessere Rechenleistungen (z.B. beim Substrahieren, s. Abb. 2) im Vergleich zu Placebo gemessen (Cox et al., 2015).

Abb. 2: Verbesserte Rechenleistung eine Stunde sowie vier Wochen nach Einnahme von Curcuma

Ein aktuelles Review führt schließlich sogar 7 epidemiologische und eine klinische Studie zur Prävention von Alzheimer auf (Botchway et al., 2018).

Zum Schluss des Curcuma-Abschnitts noch eine Studie, die deshalb so interessant ist, weil es eine der wenigen Untersuchungen ist, die eine Kombination zweier Wirkstoffe betrachtet. Hier konnte in einer in vitro-Studie gezeigt werden, dass Makrophagen (Fresszellen des Immunsystems) Amyloid-β besser abbauen konnten, wenn sie mit Curcumin zusammen mit Vitamin D behandelt wurden, als wenn sie die Einzelstoffe bekamen (Masoumi et al., 2009). Auch hier haben wir wieder ein Indiz dafür, dass es wohl sehr sinnvoll nicht nur eine demenz-präventive Substanz zu gaben, sondern dass sich mehrere synergistisch verstärken.

Auch der Glycyrrhizinsäure (aus der Süßholzwurzel, wir kennen sie aus der Lakritze) werden positive Effekte auf die Kognition bescheinigt. Bei Ratten wurden künstlich Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht. Diejenigen, die Glycyrrhizinsäure bekamen, zeigten weniger Lipidperoxidation (sozusagen „Ranzigwerden des Hirnschmalzes“), eine verbesserte Superoxiddismutase (ein anti-oxidatives Enzym), weniger Zellschädigung und geringeren Nitro-Stress im Hippocampus. Sie zeigten auch bessere Leistungen bei Lern- und Gedächtnistests als die Placebo-Ratten. Die Autoren postulieren, dass diese Wirkungen auch bei Hirnschädigungen wie Schlaganfall, traumatischer Gehirnverletzung oder Alzheimer nachweisbar sein müssten (Guo et al., 2016).

Anthocyane sind die blauen Farbstoffe in Lebensmitteln wie Roter Bete, Heidelbeeren, Weintrauben oder Kirschen. Aufgrund ihrer anti-oxidativen Wirkung werden den Anthocyanen positive Effekte auf die Gesundheit zugeschrieben. U.a. soll die gefäßschützende Wirkung des Rotweins darauf zurückzuführen sein.

Ein Review beschreibt die neuroprotektiven Effekte von Beerenfrüchten auf neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson. Die Effekte auf Zellschutz und Neuroplastizität werden auf Substanzen wie Anthocyane, Catechine, Quercetin und Tannin zurückgeführt (Subash et al., 2014).

Gibt es nun Hinweise auf klinische Verbesserungen der Kognition unter Anthocyanen? Interessenterweise habe ich eine Studie mit Kirschsaft entdeckt, die hier gute Effekte entfaltet.

In einem 12wöchigen Versuch erhielten über 70jährige Menschen mit leichter bis mäßiger Demenz 200 ml Kirsch- oder einen ähnlichen Saft. In der Kirschsaft-Gruppe wurden Verbesserung in der Sprachflüssigkeit, dem Kurz- und dem Langzeitgedächtnis gefunden. Außerdem kam es zu einer Blutdrucksenkung. Die Autoren schließen daraus, dass Anthocyane bei leichter bis mäßiger Demenz zu einer Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten führen (Kent et al., 2017).

Cannabis – sollen wir Demente etwa unter Drogen setzen?

OK, das ist jetzt etwas provokativ gefragt. Aber genau dies geschieht ja jetzt schon in vielen Fällen. Ich verfüge über keine statistischen Daten hierzu, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass viele Demente, die Schlafstörungen haben und Angehörige/Pfleger nachts wachhalten, die unruhig oder gar aggressiv sind oder die zum Weglaufen neigen, mit Tranquilizern, Neuroleptika oder Anti-Depresssiva „ruhiggestellt“ werden. Wenn wir dies schon mit Medikamenten tun, sollten wir das nicht mit den effizientesten und gleichzeitig nebenwirkungsärmsten tun? Ein kanadisches Review kam nach Durchsicht zahlreicher Studien zur Überzeugung, dass Cannabispräparate hier eine gute Option darstellen (Staples et a., 2017). Damit ist jetzt nicht gemeint, dass Demente jeden Abend einen Joint rauchen oder ein THC-haltiges und BTM-pflichtiges Mittel bekommen sollten (THC = TetraHydroCannabinol, der berauschende Inhaltsstoff; BTM = Betäubungsmittel, können nur mit Spezialrezepten verschrieben werden). Vielmehr gibt es inzwischen völlig legal erhältliche Mittel mit CBD, dem Cannabidiol. Dieses weist u.a. analgetische, anti-entzündliche und eben auch sedierende Eigenschaften auf, ohne zu berauschen oder abhängig zu machen. Dies könnte eine sinnvolle und nebenwirkungsarme Alternative zu den „harten“ Psychopharmaka sein, die üblicherweise bei problematischen Dementen häufig (zu häufig?) eingesetzt werden.

Ich könnte noch viele Seiten mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Nutzen von Nährstoffen und sekundären Pflanzeninhaltstoffen füllen, möchte die Geduld des geneigten Lesers aber nicht überstrapazieren. Ich denke, die Botschaft, dass diese Substanzen auch wissenschaftlich nachgewiesen zur Prävention von Demenz und zur leichten Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten geeignet sind, dürfte angekommen sein.

Buchtipp des Monats:

Auch wenn ich mich wiederhole und Werbung für mein eigenes Werk mache: Im Juli 2019 ist endlich die 4. Auflage erschienen, auf die ich (und nicht wenige andere) schon sehnsüchtig gewartet haben:

Dr. med. Volker Schmiedel

Nährstofftherapie: Orthomolekulare Medizin in Prävention, Diagnostik und Therapie

Zum Buch

 

 

Literatur:

  1. Botchway BOAMoore MKAkinleye FOIyer ICFang M: Nutrition: Review on the Possible Treatment for Alzheimer’s Disease. J Alzheimers Dis. 2018;61(3):867-883. doi: 10.3233/JAD-170874.
  2. Cox KHPipingas AScholey AB: Investigation of the effects of solid lipid curcumin on cognition and mood in a healthy older population.
  3. J Psychopharmacol. 2015 May;29(5):642-51. doi: 10.1177/0269881114552744. Epub 2014 Oct 2.
  4. Dursun EGezen-Ak D: Vitamin D basis of Alzheimer’s disease: from genetics to biomarkers. Hormones (Athens). 2019 Mar;18(1):7-15. doi: 10.1007/s42000-018-0086-5. Epub 2018 Nov 27.
  5. Gaudreault RMousseau N: Mitigating Alzheimer’s Disease by Natural Polyphenols : A Review. Curr Alzheimer Res. 2019 Mar 14. doi: 10.2174/1567205016666190315093520.
  6. Guo JYang CXYang JJYao Y: Glycyrrhizic Acid Ameliorates Cognitive Impairment in a Rat Model of Vascular DementiaAssociated with Oxidative Damage and Inhibition of Voltage-Gated Sodium Channels. CNS Neurol Disord Drug Targets. 2016;15(8):1001-1008.
  7. Herrmann W, Schorr H, Obeid R, Geisel J:Vitamin B-12 status, particularly holotranscobalamin II and methylmalonic acid concentrations, and hyperhomocysteinemia in vegetarians. Am J Clin Nutr 2003;78:131–6.
  8. Jernerén F, Elshorbagy AK, Oulhaj A, Smith SM, Refsum H, Smith AD: Brain atrophy in cognitively impaired elderly: the importance of long-chain ω-3 fatty acids and B vitamin status in a randomized controlled trial. Am J Clin Nutr. 2015 Jul;102(1):215-21. doi: 10.3945/ajcn.114.103283. Epub 2015 Apr 15.
  9. Kent KCharlton KRoodenrys SBatterham MPotter JTraynor VGilbert HMorgan ORichards R: Consumption of anthocyanin-rich cherry juice for 12 weeks improves memory and cognition in older adults with mild-to-moderate dementia. Eur J Nutr. 2017 Feb;56(1):333-341. doi: 10.1007/s00394-015-1083-y. Epub 2015 Oct 19.
  10. Littlejohns TJHenley WELang IAAnnweiler CBeauchet OChaves PHFried LKestenbaum BRKuller LHLanga KMLopez OLKos KSoni MLlewellyn DJ: Vitamin D and the risk of dementia and Alzheimer disease. Neurology. 2014 Sep 2;83(10):920-8. doi: 10.1212/WNL.0000000000000755. Epub 2014 Aug 6.
  11. Lopez LB, Kritz-Silverstein D, Barrett Connor E: High dietary and plasma levels of the omega-3 fatty acid docosahexaenoic acid are associated with decreased dementia risk: the Rancho Bernardo study. J Nutr Health Aging. 2011 Jan;15(1):25-31.
  12. Masoumi AGoldenson BGhirmai SAvagyan HZaghi JAbel KZheng XEspinosa-Jeffrey AMahanian MLiu PTHewison MMizwickie MCashman JFiala M: 1alpha,25-dihydroxyvitamin D3 interacts with curcuminoids to stimulate amyloid-beta clearance by macrophages of Alzheimer’s disease patients. J Alzheimers Dis. 2009;17(3):703-17. doi: 10.3233/JAD-2009-1080.
  13. Muthukumaran KKanwar AVegh CMarginean AElliott AGuilbeault NBadour ASikorska MCohen JPandey S: Ubisol-Q10 (a Nanomicellar Water-Soluble Formulation of CoQ10) Treatment Inhibits Alzheimer-Type Behavioral and Pathological Symptoms in a Double Transgenic Mouse (TgAPEswe, PSEN1dE9) Model of Alzheimer’s Disease. J Alzheimers Dis. 2018;61(1):221-236. doi: 10.3233/JAD-170275.
  14. Noguchi-Shinohara M, Yuki S, Dohmoto C, Ikeda Y, Samuraki M, Iwasa K, Yokogawa M, Asai K, Komai K, Nakamura H, Yamada M: Consumption of green tea, but not black tea or coffee, is associated with reduced risk of cognitive decline. PLoS One. 2014 May 14;9(5):e96013. doi: 10.1371/journal.pone.0096013. eCollection 2014.
  15. Rainey-Smith SRBrown BMSohrabi HRShah TGoozee KGGupta VBMartins RN: Curcumin and cognition: a randomised, placebo-controlled, double-blind study of community-dwelling older adults. Br J Nutr. 2016 Jun;115(12):2106-13. doi: 10.1017/S0007114516001203. Epub 2016 Apr 22.
  16. Raji CA, Erickson KI, Lopez OL, Kuller LH, Gach HM, Thompson PM, Riverol M, Becker JT: Regular Fish Consumption and Age-Related Brain Gray Matter Loss. Am J Prev Med. 2014 Jul 29. pii: S0749-3797(14)00257-8. doi: 10.1016/j.amepre.2014.05.037.
  17. Schaefer EJ, Bongard V, Beiser AS, Lamon-Fava S, Robins SJ, Au R, Tucker KL, Kyle DJ, Wilson PW, Wolf PA: Plasma phosphatidylcholine docosahexaenoic acid content and risk of dementia and Alzheimer disease: the Framingham Heart Study. Arch Neurol. 2006 Nov;63(11):1545-50.
  18. Song JH, Park MH, Han C, Jo SA, Ahn K: Serum Homocysteine and Folate Levels are Associated With Late-life Dementia in a Korean Population. Osong Public Health Res Perspect. 2010 Dec, p;1(1):17-22. doi: 10.1016/j.phrp.2010.12.006. Epub 2010 Dec 7.
  19. Staples HAdcock L: Cannabinoids for Behavioural Symptoms in Adults with Dementia: A Review of Clinical Effectiveness and Guidelines [Internet]. Ottawa (ON): Canadian Agency for Drugs and Technologies in Health; 2017 Jan. 
  20. Stough CNankivell MCamfield DAPerry NLPipingas AMacpherson HWesnes KOu RHare Dde Haan JHead GLansjoen PLangsjoen ATan BPase MPKing RRowsell RZwalf ORathner YCooke MRosenfeldt F: CoQ10 and Cognition a Review and Study Protocol for a 90-Day Randomized Controlled Trial Investigating the Cognitive Effects of Ubiquinol in the Healthy Elderly. Front Aging Neurosci. 2019 May 29;11:103. doi: 10.3389/fnagi.2019.00103. eCollection 2019.
  21. Subash SEssa MMAl-Adawi SMemon MAManivasagam TAkbar M: Neuroprotective effects of berry fruits on neurodegenerative diseases. Neural Regen Res. 2014 Aug 15;9(16):1557-66. doi: 10.4103/1673-5374.139483.
    Tang MTaghibiglou C: The Mechanisms of Action of Curcumin in Alzheimer’s Disease. J Alzheimers Dis. 2017;58(4):1003-1016. doi: 10.3233/JAD-170188.
  22. Tomata Y, Sugiyama K, Kaiho Y, Honkura K, Watanabe T, Zhang S, Sugawara Y, Tsuji I: Green Tea Consumption and the Risk of Incident Dementia in Elderly Japanese: The Ohsaki Cohort 2006 Study. Am J Geriatr Psychiatry. 2016 Oct;24(10):881-9. doi: 10.1016/j.jagp.2016.07.009. Epub 2016 Jul 18.
  23. Yamagishi KIkeda AMoriyama YChei CLNoda HUmesawa MCui RNagao MKitamura AYamamoto YAsada TIso HCIRCS Investigators: Serum coenzyme Q10 and risk of disabling dementia: the Circulatory Risk in Communities Study (CIRCS). Atherosclerosis. 2014 Dec;237(2):400-3. doi: 10.1016/j.atherosclerosis.2014.09.017. Epub 2014 Sep 28.