LCHF Magazin 04-2020_Leseprobe_Dr. Schmiedel_Seite_04 -min

Entzündung – das Feuer in uns

DR. MED. VOLKER SCHMIEDEL

Mit „Feuer“ ist hier leider nicht das Lebensfeuer, nicht unsere Energie oder unsere Begeisterung gemeint. Mit „Feuer“ beschreiben wir die Flamme der Entzündung, die beispielsweise unsere Schilddrüse (Hashimoto), unsere Gelenke (Rheuma) oder unseren Darm (Colitis, Morbus Crohn) verbrennt. Bei einer „richtigen“ Entzündung, z. B. einem Schub einer Multiplen Sklerose, stelle ich mir ein loderndes Feuer vor, welches die Myelinscheiden auffrisst. Und bei der stillen Entzündung oder auf neudeutsch „silent“ oder „low grade inflammation“ habe ich das Bild einer schwelenden Glut vor Augen, die zwar langsamer, aber nichtsdestotrotz die betroffenen Organe nachhaltig schädigen kann, z. B. bei einer Autoimmunpankreatitis, von der wir in der Regel gar nichts merken – bis die Organfunktion soweit geschädigt ist, dass wir Fettstühle mit Durchfällen und Blähungen bekommen, weil nicht mehr genügend Verdauungsenzyme gebildet werden.

 

 

Was kann die konventionelle Medizin tun?

Die konventionelle Medizin setzt entzündungshemmende Medikamente ein. Das können NSAR (nicht-steroidale Antirheumatika, z.B. Diclofenac), MTX (Methotrexat) – oder die neuen „Biologika“ sein, die massiv in unser Immunsystem eingreifen, vier- bis fünfstellige Kosten pro Jahr erzeugen und nicht selten von schwere Nebenwirkungen begleitet sein können.

Vor allem weisen sie aus meiner ganzheitlichen Perspektive einen gravierenden Nachteil auf: Sie wirken rein symptomatisch, niemals ursächlich. Dies bedeutet keineswegs, dass ich eine solche Therapie grundsätzlich ablehne. Dem akuten Schub einer Polymyalgia rheumatica ist ohne eine kurzfristige, hoch- dosierte Cortison-Therapie kaum beizukommen. Ich stelle mir dann immer vor, dass damit eine Decke auf den ausgebrochenen Brand geworfen wird. Wenn die Flammen erstickt sind, müssen wir uns aber noch der Glut darunter zuwenden, damit nicht wieder ein neuer Brandherd entsteht.

Was kann die komplementäre Medizin tun?

Ich nehme für mich in Anspruch, dass ich bei chronischen Entzündungen eine Ursachenbekämpfung betreibe. Dies bedeutet, dass ich der zugrundeliegenden Entzündlichkeit jeder Autoimmunkranheit und jeder chronischen Entzündung beikommen möchte. Wann sollte man mit einer solchen Therapie beginnen? Nun, im besten Fall im Lebensalter von minus neun Monaten

Bereits die Mutter sollte alles tun, um Entzündungen von ihrem Kind fernzuhalten. Wie soll das gehen? Wir wissen heute sehr genau aus epidemiologischen (verschiedene Bevölkerungsgruppen mit unterschiedlichen Faktoren vergleichende Untersuchungen, z. B. Messung des Zusammenhangs zwischen verschiedenen Vitamin-D-Spiegeln und der Häufigkeit bestimmter Krankheiten) Studien, dass ein Mangel an Vitamin D, Omega-3-Fettsäuren, Selen und/oder Zink an der Entstehung und dem Ausmaß von Entzündungskrankheiten beteiligt sind.

Therapie oder Prävention?

Ich kenne den theoretischen Nutzen von Omega-3-Fettsäuren seit mehr als 20 Jahren. Aber erst seit 8 Jahren kenne ich qualitativ hochwertige Präparate, die ich endlich in einer wirksamen und auch für den Patienten tolerablen Menge spiegelgesteuert nach Labor gezielt verordnen kann. Erst seitdem erlebe ich für mich sichtbare und für den Patienten spürbare Verbesserungen. Eine glückliche Familie zu sehen, die ihrem schreienden Säugling nicht mehr nachts die Haut mit Cortison einschmieren muss oder das strahlende Gesicht eines rüstigen, älteren Bergwanderers mit Polymyalgie zu sehen, der erstmals seit mehreren Jahren wieder eine Bergwanderung mit 900 Höhenmetern ohne Medikamente absolvieren konnte, gehört zu den befriedigendsten Erlebnissen einer ärztlichen Tätigkeit.

So habe ich Omega-3 schätzen gelernt. Inzwischen weiß ich aber auch, dass man nicht nur schweren Entzündungen therapeutisch erfolgreich begegnen, sondern Krankheiten auch präventiv verhindern kann. Wenn ich bei einer Routineuntersuchung sehe, dass jemand ein CRP von 3,5 mg/l aufweist und in den letzten Tagen unter keiner Erkältung oder einer anderen Entzündung litt, dann spreche ich von einer „stillen Entzündung“. Ein CRP über 5 mg/l bedeutet das Vorliegen einer richtigen Entzündung. Ein völlig gesunder Mensch hat ein CRP deutlich unter 1 mg/l. Wenn ich dann noch erfahre, dass in der Familie Autoimmunkrankheiten, kardiovaskuläre Erkrankungen oder Krebs gehäuft vorkommen, veranlasse ich eine Fettsäureanalyse und finde dabei nicht selten suboptimale Werte. Der AA/EPA-Quotient bei einem Durchschnittsbürger mit einem Konsum von 3–4 x Fleisch und 1 x Fisch pro Woche liegt etwa bei 10. Präventiv strebe ich einen Wert von 3–5, therapeutisch von etwa 2,5 an. Wenn der untersuchte Patient aber beispielsweise 15 oder weit mehr aufweist, so ist dies prognostisch als ungünstig einzuschätzen. Das AA/EPA ist dabei kein Entzündungsmarker wie etwa die BSG oder das CRP, sondern ein Entzündungsprädiktor. Eine Autoimmunkrankheit muss nicht, kann aber auftreten, in jedem Fall aber mit einer höheren Wahrscheinlichkeit. Es gibt mittlerweile zahlreiche epidemiologische Studien, die erhöhte Erkrankungsraten, z. B. bei Krebs, bei schlechter Omega-3-Versorgung belegen. Und mittlerweile gibt es auch erste interventionelle Studien, die eine klare Reduktion etwa von kardio-vaskulären Ereignissen in der sekundären Prävention nachweisen, wenn mit Omega-3 in einer hohen Dosierung gearbeitet wurde. Nebenbei: Bei Herzkrankheiten ist der Omega-3-Index etwas aussagekräftiger. Die Durchschnittsbevölkerung liegt hier bei etwa 5–6 %, Werte unter 4 % sind grottenschlecht und mit einem mehrfach erhöhten Risiko von plötzlichem Herztod verbunden, ein Omega-3-Index von 8–12 % sollte angestrebt werden. Vermutlich könnten mit einem solchen Vorgehen viele Krankheiten und damit verbundene Kosten für die Solidargemeinschaft sowie individuelles Leid verhindert werden.

Die Therapie mit Omega-3-Fettsäuren möchte ich in meinem therapeutischen Repertoire nicht mehr missen. Wenn man mir als orthomolekularem Therapeuten alle Nährstoffe bis auf zwei verbieten würde und ich könnte mir diese aber aussuchen, so würde ich ohne zu zögern das Vitamin D und die Omega-3-Fettsäuren wählen.

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Auszug aus  LOW CARB – LCHF – KETO LIFESTYLE  Ausgabe 0 04/2020 | Dezember 

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