Zusammenfassung

Zur Behandlung der Colitis ulcerosa stehen neben Kortison zahlreiche komplementäre Therapieoptionen zur Verfügung. Hohen Stellenwert hat dabei die Orthomolekularmedizin zum Ausgleich der Defizite an Vitaminen und Mineralstoffen sowie zur Erhöhung der Zufuhr antientzündlich wirkender Omega-3-Fettsäuren. Erfolge wurden in jüngerer Zeit auch mit Weihrauchpräparaten erzielt. Kurzes Heilfasten, mikrobiologische Therapie und Psychotherapie können die Behandlung sinnvoll ergänzen.

Colitis Ulcerosa – Entzündliche Darmerkrankung

Entzündliche Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa zeichnen sich durch Bauchschmerzen, Blähungen, mitunter auch Blut im Stuhl, vor allem aber durch einen chronischen Durchfall aus, der im akuten Schub unter Umständen extreme Ausmaße annehmen kann. Fünf oder 10 breiige bis wässrige Stühle, aber auch 15 oder 20 Mal am Tag Durchfall sind bei einem akuten Schub keine Seltenheit.

Das Allgemeinbefinden ist sehr eingeschränkt, es kommt zu teilweise dramatischen Gewichtsabnahmen. Die Diagnose einer entzündlichen Darmerkrankung wird mittels Darmspiegelung gestellt.

Zur antientzündlichen Therapie wird i. d. R. Kortison eingesetzt, um den akuten Schub zu behandeln und die Remission einzuleiten, die Phase mit geringer oder gar keiner Entzündungsaktivität. Kortison ist jedoch nicht in der Lage, die Remissionsphase stabil zu halten, sodass Pharmaka wie Mesalazin verabreicht werden. Sind die Erfolge auch damit nicht zufriedenstellend, kommen stärkere Immunsuppressiva zum Einsatz.

Im akuten Schub sind schulmedizinische Maßnahmen i. d. R. das Mittel der Wahl. Bei chronischem Verlauf lohnt jedoch ein Therapieversuch mit komplementären Behandlungsmethoden, um die Entzündung und die Autoimmunreaktion – den Angriff auf den eigenen Körper – in den Griff zu bekommen.

Colitis-ulcerosa-Patienten neigen nicht selten dazu, Medikamente möglichst rasch zu reduzieren oder gar abzusetzen, sobald sie sich wieder etwas besser fühlen. Oft provoziert dies den nächsten Schub. Als sinnvoll hat sich erwiesen, die Medikamente bei subjektiver (z. B. normale Stuhlfrequenz, keine Bauchschmerzen) und objektiver Besserung (keine Entzündungszeichen im Blut) langsam, stufenweise und unter ärztlicher Kontrolle zu reduzieren.

Gleichzeitig können bereits eine ganze Reihe komplementärer Maßnahmen zusätzlich angewendet werden, um der chronischen Entzündungsneigung langfristig erfolgreich entgegenzuwirken. Wenn sich die Entzündungsaktivität der Colitis ulcerosa so weit reduziert hat, dass

  • der Stuhl normal geworden ist
  • sich die Entzündungswerte im Blut (BSG, CRP) normalisiert haben
  • keine Entzündungsaktivität im Stuhl mehr nachweisbar ist

kann langsam und in kleinen Schritten eine Reduktion der entzündungshemmenden Medikamente erfolgen. Vor jedem nächsten Reduktionsschritt sollten die o. g. drei Punkte überprüft werden. Regelmäßige Darmspiegelungen ergänzen das diagnostische Programm.

 

Nachweis der Entzündungsaktivität im Stuhl


 

PMN-Elastase

Hinweise auf eine erhöhte Leukozytenaktivität im Darm liefert das Enzym PMN-Elastase. Bei gereizter Darmschleimhaut sind die Werte des Enzyms im Stuhl leicht erhöht, bei einer massiven Entzündung wie der Colitis ulcerosa finden sich deutlich erhöhte Werte. Die Verdachtsdiagnose sollte mittels einer Koloskopie bestätigt werden.

In der Verlaufskontrolle von Colitis ulcerosa stellt die PMN-Elastase einen sehr sensiblen Marker dar, der meist bereits ansteigt, bevor sich die Symptome eines akuten Colitis-ulcerosa-Schubs bemerkbar machen. Es empfiehlt sich, nach einem Schub die PMN-Elastase vor jeder geplanten Dosisreduktion der Medikamente, mindestens aber vierteljährlich zu überprüfen. Bei stabilem Zustand der Colitis ulcerosa (subjektiv und anhand der Blutwerte) kann auf eine halbjährliche, später auf eine jährliche Bestimmung des Enzyms reduziert werden.

Alpha-1-Antitrypsin

Das Enzym Alpha-1-Antitrypsin ist häufig bei bestehenden Entzündungen oder Beeinträchtigungen der Darmschleimhautpermeabilität erhöht, was bei Colitis ulcerosa oft der Fall ist. Eine gestörte Permeabilität liegt vor beim Leaky-Gut-Syndrom. Große Moleküle können dann die Schleimhaut passieren und in den Körper gelangen. Durch die vermehrte Belastung des Körpers mit Fremdeiweißen werden Nahrungsmittelallergien begünstigt, die wiederum zu einer gestörten Fettverdauung und damit zu Durchfällen führen können. Mit schleimhautregenerierenden und antiallergischen Maßnahmen kann dieser Störung meist gut begegnet werden.

 

Komplementäre Therapieoptionen


 

Orthomolekulare Therapie

Colitis-ulcerosa-Patienten weisen häufig Defizite an wichtigen Vitaminen und Mineralstoffen auf. Dies liegt einerseits daran, dass aufgrund der Diarrhö nicht genügend Nährstoffe aufgenommen werden können und über den Stuhl verloren gehen. Andererseits verbraucht der chronische Entzündungsprozess ständig Nährstoffe. Und zum Dritten führt die medikamentöse Gabe zu einem erhöhten Nährstoffverbrauch (z. B. ist Azulfidine ein „Folsäureräuber“).

Vitamin A, D, E, K

Auf eine gute Versorgung mit den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K ist besonders zu achten, da diese häufig im Mangel sind, besonders wenn sich in der Stuhluntersuchung Fettstühle nachweisen lassen.

Antioxidanzien

Eine gute Zufuhr von Antioxidanzien wie Vitamin E, C, Selen ist ebenfalls wichtig, da der Bedarf bei jedem Entzündungsprozess erhöht ist. Antioxidanzien sind zudem in der Lage, die bei Entzündungen vermehrt freigesetzten freien Radikale zu neutralisieren. Geschieht dies nicht, führen die freien Radikale zu weiterer Gewebeschädigung.

Vitamin B12

Vitamin B12 sollte vermehrt zugeführt werden, wenn der Endteil des Dünndarms von der Entzündung betroffen ist, da nur hier die Aufnahme von Vitamin B12 erfolgen kann. Es empfiehlt sich die parenterale Gabe.

Zink

Zink wird vermehrt für die Regeneration der geschädigten, entzündeten Schleimhaut benötigt. Bei Fettstühlen ist die Zinkaufnahme über den Darm zudem herabgesetzt.

Eisen

Viele Colitis-ulcerosa-Patienten leiden an einer Anämie, die klinisch auf einen Eisenmangel hindeutet. Häufig sind die Serumeisenwerte erniedrigt. Beide Werte zeigen sich sowohl bei Entzündungen als auch einem Eisenmangel erniedrigt. Liegt eine Entzündung vor, ist die Beurteilung der Eisenspeicher nur anhand der Bestimmung des Serum-Ferritins verlässlich. Weil der Körper bei Entzündungen vermehrt Eisen speichert, kann sich eine chronische Entzündung als Eisenmangelanämie zeigen – bei vollen Eisenspeichern.

Da Eisen im Körper prooxidativ wirkt, kann sich die zusätzliche Gabe von Eisen ungünstig auf die Entzündung auswirken. Deshalb sollte eine Eisengabe nur erfolgen, wenn die Serum-Ferritinwerte im Mangel sind.

In vielen Fällen ist die parenterale Gabe der Mikronährstoffe der oralen vorzuziehen. Aufgrund der herabgesetzten Darmschleimhautfunktion infolge der Entzündung ist die Aufnahme der Mikronährstoffe im Körper nur bei parenteraler Gabe sichergestellt. In der Praxis des Autors hat sich bei Colitis- ulcerosa-Patienten eine Infusionsserie mit hoch dosiertem Vitamin C, einem Multivitaminpräparat und B-Vitaminen bewährt: Die meisten Patienten zeigen eine geringere Entzündungsaktivität und fühlen sich körperlich und psychisch belastbarer.

Mittelkettige Fettsäuren

Bei beeinträchtigter Fettverdauung (Nachweis von Fetten im Stuhl) kann die Einnahme von mittelkettigen (MCT) Fetten sinnvoll sein. MCT-Fette werden leichter verdaut als langkettige Fettsäuren, aus denen die meisten Fette und Öle bestehen. Unter Einnahme von MCT-Fetten verringern sich die Fettstühle. Produkte, die aus MCT-Fetten bestehen, z. B. Öle, Margarine, Käse, Aufstriche, sind in Apotheken und Reformhäusern erhältlich. Es sei aber erwähnt, dass es sich lediglich um eine – mitunter sehr sinnvolle – symptomatische Therapie handelt. Die Entzündung bleibt davon unbeeinflusst.

Omega-3-Fettsäuren

Die Grundlagenforschung, epidemiologische Studien und klinische Experimente konnten inzwischen belegen, dass eine hohe Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren die Entzündungsaktivität von Colitis ulcerosa deutlich vermindert.

Diagnostik von Nährstoffmängeln

Vor einer gezielten Mikronährstofftherapie sollte eine sorgfältige Diagnostik erfolgen, um Mangelzustände aufzudecken. Die Labordiagnostik sollte mittels Vollblutanalyse erfolgen, da die Serumuntersuchung die Mikronährstoffversorgung in den Geweben nur unzureichend wiedergibt. Die meisten Mineralstoffe, z. B. Kalium und Magnesium, sind innerhalb der Zellen hoch konzentriert, das Serum dient lediglich als Transportmedium. In der Vollblutanalyse kann der Gehalt der Blutzellen mitbestimmt werden. Da sich das Blut etwa alle 3 Monate erneuert, kann auf diese Weise die Mineralstoffversorgung der letzten 3 Monate beurteilt werden. Leider werden diese Analysen bei Colitis-ulcerosa-Patienten so gut wie nie durchgeführt.

Beispielsweise fanden sich unter einer Omega-3-Diät im Tierversuch im Darmgewebe wesentlich weniger Entzündungsbotenstoffe und weniger Entzündungszeichen. Wie bei jeder chronisch entzündlichen Erkrankung hilft Omega-3 auch im Darm – erstaunlicherweise in den Studien allerdings bei Morbus Crohn deutlicher als bei Colitis. Bei Morbus Crohn wurden unter Omega-3-Gabe signifikant weniger Rezidive nachgewiesen.

Der Wirkung der Fettsäuren tritt im Vergleich zu Kortisonpräparaten langsamer ein, jedoch ohne dessen unerwünschte Wirkungen. Die Tatsache, dass Eskimos sehr selten an Colitis Ulcerosa leiden, wird mit der sehr hohen Zufuhr an Omega-3-Fettsäuren mit der Nahrung erklärt.

Phytotherapie

In den letzten Jahren hat das ayurvedische Mittel Salai Guggul für Furore gesorgt. Tübinger Pharmakologen konnten feststellen, dass durch dieses Mittel eine Hemmung der Lipoxygenase eintritt. Das Enzym ist verantwortlich für die Metabolisierung von Omega-6-Fettsäuren zu entzündungsfördernden Botenstoffen – den Leukotrienen.

Bei Salai Guggul handelt es sich um Weihrauchharz (Boswellia serrata). Es enthält Boswelliasäuren, die für den entzündungshemmenden Effekt verantwortlich sind. Wichtig ist die entsprechende Dosierung: Es sollten 3 × 2 Kapseln mit je 400 mg Extrakt verabreicht werden, bei Bedarf auch 3 × 3 Kapseln. Mögliche Nebenwirkungen: Ganz selten allergische Reaktionen, magenempfindliche Personen können eventuell mit Magenproblemen reagieren.

Eine klinische Doppelblindstudie der Universitätsklinik Heidelberg mit über 100 Morbus-Crohn-Patienten ergab, dass Weihrauch in der Behandlung des Morbus Crohn einem konventionellen entzündungshemmenden Präparat (Mesalazin) nicht unterlegen war. Unter Nutzen- Risiko-Abwägung war Weihrauch sogar überlegen, wenn man sowohl Sicherheit als auch Wirksamkeit in die Beurteilung einfließen lässt.

In Deutschland sind Weihrauchpräparate noch nicht zugelassen, sodass derzeit auf das H15 aus der Schweiz zurückgegriffen werden muss, das mittels Privatrezept in der Apotheke bestellt werden kann. In Indien hergestellte oder im Internet bestellte Präparate können nicht empfohlen werden, da die Wirkstoffe häufig nicht in den angegebenen Mengen enthalten sind und oft Verunreinigungen z. B. mit Schwermetallen auftreten. Ebenfalls abzuraten ist von den in Deutschland angebotenen homöopathischen Zubereitungen, da hier die Dosierung unzureichend ist. Bei der Weihrauchtherapie handelt es sich um Phytotherapie, die sich vom homöopathischen Ansatz evident unterscheidet.

Heilfasten

Im akuten Stadium mit zahlreichen Durchfällen kann ein kurzes (mehrtägiges) Heilfasten eine deutliche Minderung der Beschwerden und der Entzündungsaktivität bewirken. Es sollte allerdings kein ausgeprägtes Untergewicht bestehen. Heilfasten bei Colitis-ulcerosa-Patienten mit mäßiger bis deutlicher Entzündungsaktivität sollte nur unter ärztlicher Kontrolle durchgeführt werden.

Im beschwerdefreien Intervall kann das Heilfasten evtl. zu Hause unter Aufsicht eines erfahrenen Fastenarztes durchgeführt werden. Mit dem Heilfasten können viele andere Naturheilverfahren sinnvoll kombiniert werden. Nach dem Fasten ist bei Colitis-ulcerosa-Patienten auf einen besonders sorgfältigen Kostaufbau zu achten; auch eine mikrobiologische Therapie ist sehr sinnvoll.

Mikrobiologische Therapie

Wir leben in einer Symbiose mit unseren Darmbakterien. Diese sind in der Lage, unser Immunsystem zu modulieren, die Nahrung aufzuschließen – z. B. kurzkettige Fettsäuren aus Ballaststoffen für die Ernährung der Darmzellen zu produzieren – und in geringerem Umfang Vitamine zu bilden. Man hat lange Zeit vermutet, dass Darmbakterien vor einer Entzündung schützen können.

Ein amerikanischer Arzt mit einer entzündlichen Darmerkrankung unternahm vor einigen Jahren einen Selbstversuch: Er nahm Stuhl von seiner darmgesunden Ehefrau, löste ihn in Wasser auf und verabreichte sich selbst einen Einlauf damit, nachdem er seinen Darm weitestgehend entleert hatte. Der Erfolg gab ihm Recht: Er hatte mehrere Monate lang deutlich weniger Entzündungszeichen. Der Therapieeffekt wurde auf die „gesunde“ Darmflora seiner Frau zurückgeführt. Er veröffentlichte seinen Fall in einer der weltweit renommiertesten medizinischen Fachzeitschriften.

Dass es aber auch eleganter geht, zeigt eine Studie, die mit dem Präparat Mutaflor® (enthält E.-coli) durchgeführt wurde. Dabei erhielten Morbus- Crohn-Patienten entweder das E.-coli-Präparat oder ein konventionelles Mittel zur Remissionserhaltung. Nach zwei Jahren gab es keinen Unterschied mehr zwischen beiden Gruppen.

Neuraltherapie, Homöopathie, Akupunktur

Andere Naturheilverfahren können ebenfalls unterstützend eingesetzt werden, um Heilungsprozesse anzustoßen oder die Häufigkeit der Schübe zu reduzieren.

Die Neuraltherapie kann z. B. zur Narbenentstörung eingesetzt werden, wenn ein Störfeld vermutet wird, das an der Colitis ulcerosa beteiligt sein könnte.

Wird bei einem Colitis-ulcerosa-Patienten das richtige homöopathische Mittel gefunden, dessen Arzneimittelsymptome weitestgehend mit den Symptomen des Patienten übereinstimmen, können sich durch die homöopathische Behandlung deutliche Besserungen der Colitis ulcerosa ergeben.

Bestehen energetische Ungleichgewichte im Energiefluss der Meridiane, so kann eine geeignete Akupunkturbehandlung bei der Wiederherstellung eines harmonischen Gleichgewichts helfen. Dadurch können Heilungsprozesse auch für Colitis ulcerosa angestoßen werden.

Morbus-Crohn-Patienten sollten übrigens unbedingt das Rauchen aufgeben, da häufigere Schübe und mehr Operationen nachgewiesen sind.

Psychosomatik

Die Colitis ulcerosa wird heute auch als eine psychosomatische Erkrankung betrachtet. Die Erkrankung kann durch seelische Belastungen und inadäquate Einstellungen initiiert oder verstärkt werden. Dass Körper und Seele gerade bei Colitis ulcerosa eng miteinander verbunden sind, zeigt sich u. a. darin, dass viele Schübe nach seelischen Belastungssituationen auftreten. Es ist deshalb ratsam, die Psyche in die Therapie einzubeziehen, z. B. in Form von Entspannungstherapien, stützenden Gesprächspsychotherapien, ggf. auch künstlerischen Therapien und Familientherapie.