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Gezielt vorgehen

– bei der Einnahme von Nahrungs-
ergänzungsmitteln

DR. MED. VOLKER SCHMIEDEL

Ob in der Drogerie oder in der Apotheke: Die Fülle von Nahrungsergänzungsmitteln ist enorm. Hinzu kommen neu erscheinende Studien sowie zahlreiche Werbebotschaften. Dadurch ist es oft schwierig, den Überblick über relevante Mittel und ihre validen Anwendungsmöglichkeiten zu behalten. Im Gespräch mit Dr. med. Volker Schmiedel erfahren wir mehr über verschiedene Zusammenhänge und sinnvolle sowie womöglich weniger sinnvolle Anwendungen von Nahrungsergänzungsmitteln.

Die Therapie mit Nährstoffen kann unglaublich erfolgreich sein. Ich habe mittlerweile so viele Rheumatiker, Neurodermitiker und
Osteoporosepatienten gut behandelt, so gut, dass sie teilweise keine Medikamente mehr brauchten und es ihnen viel besser ging. Ich möchte diese Therapieform für mich persönlich nicht mehr missen, weil ich so viele Erfolge damit erzielen konnte.
Wenn ein Laie als gesunder Erwachsener am Tag 5000 IE Vitamin D nimmt, macht er fast nie etwas verkehrt. Wenn er 20 verschiedene Präparate in unterschiedlichen Zusammensetzungen mit verschiedenen Wirkungsabsichten nimmt, ist es meistens
nicht sinnvoll und er sollte einen Experten fragen. Leider gibt es nicht so viele, die sich damit auch wirklich gut auskennen.
Ich sehe insgesamt Nutzen der Nährstofftherapie, ich sehe mitunter auch völligen Nichtnutzen, und ich sehe teilweise – zum
Glück sehr selten – auch Risiken. Aus meiner Sicht sollte die Basis, also die Grundlage, immer die Ernährung sein – eine vollwertige, möglichst naturbelassene Ernährung mit einem hohen Ballaststoffgehalt. Sie muss nicht vegetarisch sein, aber doch weitgehend vegetarisch orientiert. Bei Nährstoffen wie Vitamin D und Omega 3 kommt man damit meist nicht aus. Da braucht es mehr, wenn man optimal versorgt sein will. Und wenn dann bei einer bestimmten Krankheit noch etwas sinnvoll sein könnte, kann man es zusätzlich einbeziehen. Wenn man zudem als Therapeut Nährstoffe misst und sieht, dass es einen Mangel oder zumindest suboptimale Werte gibt, kann man entsprechend für bessere Werte Mittel dazugeben. Dann hat man eine gute Ernährung als Basis plus eine gezielte Ergänzung oder eine Nährstofftherapie, die für mich rechtlich nicht, aber therapeutisch schon, medikamentösen Charakter hat.

Lieber Herr Dr. Schmiedel, zu Beginn wäre eine Abgrenzung
interessant: Was genau sind Nahrungsergänzungsmittel, wie
grenzen sie sich von Arzneimitteln ab?

Rechtlich ist die Abgrenzung ganz einfach. So wie wir Nahrungsergänzungsmittel wahrnehmen und mit ihnen umgehen, ist es
wiederum eine ganz andere Sache und die Abgrenzung oft weniger eindeutig.
Es gibt eine Nahrungsergänzungsmittelverordnung, in der in § 1 steht, dass Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel sind. Somit
zählen Nahrungsergänzungsmittel rechtlich zu den Lebensmitteln und sind dazu bestimmt, die allgemeine Ernährung zu ergänzen.
Sie enthalten Nährstoffe oder sonstige Stoffe mit ernährungsspezifischer oder physiologischer Wirkung und werden in
konzentrierter und dosierter Form zur Aufnahme in abgemessenen kleinen Mengen in den Verkehr gebracht. Auch sekundäre
Pflanzeninhaltsstoffe zählen im weiteren Sinne zu den Nahrungsergänzungsmitteln. Bestimmte Höchstmengen dürfen nicht überschritten werden. So soll die Gefahr vermieden werden, Überdosierungen bei Kunden oder Patienten zu erzielen.
Ein Arzneimittel ist im Vergleich ganz anders gesetzlich geregelt. Kurz gefasst bedürfen Arzneimittel immer eines sehr intensiven
Zulassungsverfahrens. Um ein Mittel als Medikament zuzulassen, sind die rechtlichen und auch inhaltlichen Anforderungen
ziemlich gewaltig. Es wäre für die meisten Nahrungsmittelergänzungshersteller gar nicht möglich, allein die Manpower und die
Kosten dafür aufzubringen.

Wieso werden Nahrungsergänzungsmittel eingenommen? Gibt
es einen häufigen Anlass, bei dem sie relevant sind?

Wie der Name schon sagt, es ist eine Nahrungsergänzung, also eine Ergänzung unserer üblichen Nahrung. Wenn man entsprechende Stoffe aus der Nahrung nicht in ausreichenden Mengen aufnehmen kann oder man einen höheren Bedarf oder Verbrauch hat, zum Beispiel durch sportliche Tätigkeit, Krankheit oder auch durch diverse Medikamente – die Nährstoffräuber sein können –, können Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein. Viele Menschen nehmen Nahrungsergänzungsmittel präventiv
ein, um sich damit vor Krankheiten zu schützen, weil sie annehmen, dass wenn man zum Beispiel einen höheren Spiegel an Vitamin D hat, man bestimmte Krankheiten weniger hat. Es ist ein sehr komplexes Thema, und ich habe den Eindruck, dass viele Laien manchmal auch ein bisschen zu viel des Guten tun. Ich schlage immer innerlich die Hände über dem Kopf zusammen, wenn Patienten mit 2 Plastiktüten mit gefühlt 20 verschiedenen Mitteln zu mir kommen. Wir können davon ausgehen, dass 80–90 % davon unsinnig sind.

Eine Frage noch zu Arzneimitteln und Mikronährstoffen: Was ist
wegen möglichen Interaktionen zu beachten; was ist, wenn man
beides einnimmt?

Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Es gibt da vielfältigste Wechselwirkungen. Ich habe schon angedeutet, viele Medikamente
sind Nährstoffräuber. Ein Beispiel sind Diuretika. Das sind Entwässerungsmittel. Durch diese gehen viele Mineralien verloren,
zum Beispiel Magnesium und Kalium. Darauf muss man besonders gut achten.
Manche Nährstoffe und Medikamente ergänzen sich sogar. Wenn jemand zum Beispiel eine Depression hat und ein Antidepressivum nimmt, gibt es Studien, die zeigen, dass man durch eine zusätzliche Omega-3-Einnahme schneller aus einer depressiven Episode herauskommen kann. Da haben wir eine gute Ergänzung. Das eine schließt das andere nicht aus.
Es gibt auch bestimmte Mittel von der Nahrungsergänzungsseite, die mit Arzneimitteln gar nicht gut zusammengehen. Auch
hier ein Beispiel: Wenn man Marcumar zur Blutverdünnung einnimmt, weil man eine künstliche Herzklappe hat oder eine Lungenembolie hatte, dann darf man auf gar keinen Fall ein Vitamin- K2-Präparat dazu nehmen, außer in einer entsprechend niedrigen Dosierung. Und man braucht einen Arzt, der regelmäßig den Gerinnungswert misst, um zu sehen, ob die Dosis, die man einnimmt, erlaubt ist. Da kann man auch viel Schaden anrichten! Man muss das im Einzelfall sehen und sich wirklich den Beipackzettel der Nährstoffpräparate und am besten auch der Medikamente anschauen. Auch muss man sich in entsprechenden Büchern informieren, wo solche Arzneimittelwechselwirkungen gut beschrieben sind. Da sollte man wirklich aufpassen.

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